Sonntag, 24. August 2008

Sonntagsausflug

Am heutigen Sonntag gab es nochmal die Gelegenheit zur Kurzweil, bevor der Semesterbetrieb morgen früh um 8.00 Uhr startet. In Sichtweite von meinem Hotel aus steht die St. Peter’s Church, wo ich um 10.30 Uhr einem englischsprachigen Gottesdienst beiwohnen wollte. An anderen Sonntagen gibt es dort sogar Gottesdienst der Deutschsprachigen Christliche Gemeinde Shanghai. Wie für andere Europäer und Hong Kong-Chinesen gab es für mich enttäuschenderweise wegen der laufenden Renovierungsarbeiten in der Kirche heute jedoch keinen Gottesdienst. Ich werde mir übrigens noch anderswo Informationen über die Lage der Christen in China einholen.
Ich verlegte mich sogleich aufs Radfahren. Das ist etwas sehr angenehmes im topfebenen Shanghai, denn man kann in akzeptabler Zeit leicht jeden Punkt im erweiterten Innenstadtbereich ansteuern. Mein Ziel war der Yu Yuan, ein traditioneller Garten aus früheren Dynastien. Ich erreichte ihn auf lohnenden Umwegen, denn wenn mir etwas Interessantes ins Auge fiel, bin ich einfach abgebogen und habe geguckt, fotografiert und gefilmt.

Hier gehört noch ein Film-Clip hinein, den ich von meinen Fahrradkünsten im chinesischen Verkehr frei aus der Hand beim Fahren aufgenommen habe. Er lässt sich momentan nicht laden. Bitte Geduld.

Es gibt sie noch in erklecklicher Zahl, die Häuser Alt-Shanghais, mit engen Gässchen dazwischen und Markttreiben in jeder sich bietenden Nische und Menschen, Menschen, Menschen, die sich herumtreiben oder schaffen, vor sich hindösen oder laut herumschreien. (Nebenbemerkung: Neulich im Restaurant glaubte ich, gerade Zeuge einer sich heraufziehenden, richtig massiven Wirtshausschlägerei zu werden. Dann stellte sich heraus, dass da zwei Chinesen sich in nichts anderem als in landestypischer Lautstärke freundlich unterhielten).



Aber es ist menschenunwürdig und lebensunwert heruntergekommen in diesen auf dem Foto sich so malerisch und pitoresk darbietenden Häuschen; richtige Slums sind das in Wirklichkeit. Da kann ich verstehen, dass von offizieller Seite Abriss und Neubau die Mittel der Wahl sind. Die Heritage-Bewahrung lohnt sich nur bei wirklich erhaltenswerten Gebäuden.

Yu Yaun-Gärten und Basar
Das hätte man bei den Yu Yuan Gartenanlagen tun sollen, denn da ist zwar nichts alt, aber im alten Stil wieder aufgebaut, und mit ihren verschnörkelten Pagodendächern ist die große Anlage schön anzusehen. Mauern trennen den Garten in sechs Themenbereiche, wodurch ein Labyrinth entsteht, dass die Anlage noch größer erscheinen lässt. Ich habe mir den Taoistischen Tempel des Stadtgottes angesehen, der in der Ming-Dynastie als Sitz des Schutzpatrons von Shanghai galt. Eintritt 10,- Yuan, offiziell RMB = RenMinBi = Volksgeld genannt; Wechselkurs RMB:EUR 10:1. Die Kaufkraft ist geschätzt aber auch 10:1; dass heißt in Euro ist alles spottbillig zu haben. Andererseits, 10 Euro würden in Deutschland auch nicht viele für einen Kirchenbesuch ausgeben. Deswegen waren viele, aber sehr viel weniger Menschen dort in der großen Tempelanlage (früher umfasste sie den ganzen Garten!) als außerhalb. Ich habe viele Leute in Anbetung gesehen, die auch ihre Kinder dazu angeleitet haben, und es hat mich verwundert, wie religiös empfänglich die Menschen der kommunistischen Volksrepublik sind. Außerhalb, im offen zugänglichen schicken Riesen-Basarbereich, war die Anbetung des Konsums durch die Genossen (sagt man heutzutage nicht mehr!) noch offensichtlicher.

Ein Geschiebe und Gedränge, wunderschöne Angebote, von Souvenirs über herrliche Teesorten (die soviel kosten wie in Deutschland. Ich habe mich erst einmal damit eingedeckt; die kunstvolle, schöne, große Chinatasse dazu hat mich hingegen nur 20 RMB gekostet), bis zu traditioneller chinesischer Medizin, wenn auch zu überhöhten Touristenpreisen – und es gab deutlich erkennbar ganz viele chinesische Touristen und einige Europäer. Mehrfach schon habe ich in Läden Chinesen (Kunden) mit Chinesen (Verkäufern) radebrechen gehört, weil ihre Sprachen für die Shanghaier so unverständlich sind, wie mein deutsch. Das hat mich sehr ermutigt, mich mit Fingern und Zeigen verständlich zu machen, bis ich mal ein paar Brocken sprechen werden kann.

Ich war übrigens noch im größten Steingarten aus der Ming-Zeit (Eintritt 30 RMB; trotzdem viele interessierte Besucher), einer Nachbildung der Schluchten Südchinas aus grauem Jadegestein, das ganz schroff wirkt. Aber dort, wo durch vieles Anfassen oder Ablaufen die Oberfläche unbeabsichtigt schön glattpoliert ist, merkt man den besonderen Glanz dieses für die Chinesen wichtigsten Steins (der eben nur manchmal jadegrün ist). Ich hatte mich ins Klosterteehaus zurückgezogen, wo wegen der Teepreise nur ganz wenige Menschen waren und habe so anderthalb Stunden der Zeit der Stille ganz für mich gehabt.

Erkenntnis des Tages: Auch dort, wo die meisten Unterhaltung und Ablenkung haben wollen, kann man Nischen des Rückzugs finden.

P.S.: Das hochladen meines Blogs funktioniert zwar langsam aber zuverlässig. Mit meinem E-Mail-Versand und -Empfang habe ich beim Internet in meinem Hotel Probleme; in der Uni funktioniert es noch gar nicht. Ich bitte um Nachsicht.

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