Momentan ist das Hochladen von Photos und Videos sowie das Formatieren der BLOGs nicht möglich. Deswegen sind bei den Tagebucheinträgen vom
10. Oktober 2008 (Text mit Fotos, keine Videos)
18. Oktober 2008 (Text nur teilweise)
19. Oktober 2008 (noch kein Text)
20. Oktober 2008
21. Oktober 2008
22. Oktober 2008
23. Oktober 2008 (kein Eintrag)
24. Oktober 2008
nur die Texteinträge zu finden.
Sobald diese Meldung gelöscht ist, können die vollständigen Tagebucheinträge gelesen werden.
Samstag, 25. Oktober 2008
Freitag, 24. Oktober 2008
Zurück in Shanghai
Ankunft in PVD
Mein Rückflug von Xi’an dauerte von 18.07 Uhr bis 19.46 Uhr. Pudong ist ein weitläufiger Flughafen, deswegen waren wir trotz hoher Geschwindigkeit erst um 19.56 Uhr am Gate angedockt. Ich eilte die elend langen, leeren Gänge entlang, durch gähnend weite Hallen und direkt dem Ausgang zu, denn ich hatte als Inlandsfluggast, nur mit Handgepäck, keine Kontrollen und sonstigen Wartezeiten (außer einer kurzen Pinkelpause) hinter mich zu bringen. Mein Ziel war es, endlich die MAGLEV, so wird der erste kommerzielle Transrapid bezeichnet, als Verkehrsmittel zu benutzen. Auf der Transrapid-Teststrecke im Emsland bei Lathen war ich schon mal im TR07 (ich habe nur die verminderte Maximalgeschwindigkeit von 384 km/h mitbekommen) mitgefahren, als das dort noch möglich war. Dort hatte mich vor allem die Vorbeifahrt viel mehr beeindruckt als die Mitfahrt, die ich damals sogar richtig langweilig fand. Und außerdem hatte ich mal Gelegenheit bei einem Berlinbesuch mit meinen Jungs 1990 kurz nach dem Mauerfall eine Fahrt in der M-Bahn (Magnetbahn) auf dem Grenzgrundstück „Gleisdreieck“ (nur drei Haltestellen) zu erleben. Das war ein spurgebundenes (Versuchs-)Verkehrssystem auf eigenem Fahrweg, das nur von 1989 bis 1991 im Passagierbetrieb eingesetzt wurde. Nach dem Mauerfall musste es alsbald der Wiederherstellung der klassischen U-Bahn 2 Platz machen. Als Antrieb benutzte die M-Bahn einen Linearmotor in Langstator-Bauweise im Fahrweg, das heißt, die kastenförmigen Doppelkabinen verfügten weder über Motoren noch Bremssysteme. Geführt wurde die vollautomatische und fahrerlose M-Bahn allerdings sowohl horizontal als auch vertikal von kleinen Rädern. Dadurch waren enge Kurvenradien möglich, wie bei der Straßenbahn, jedoch rumpelte die M-Bahn auch genauso.
2143
MAGLEV
Der Bahnhof der MAGLEV in Pudong liegt genau zwischen Terminal 1 und 2, das heißt, egal, wo man landet, der Fußweg ist immer elend lange. Ich musste an den Taxiständen vorbei, wo die Taxifahrer darauf warten, die Fahrgäste genau bis vor ihr Ziel zu fahren. Ich musste an den Flughafenbushaltestellen vorbei, von wo aus mehrere Linien an wichtige Knotenpunkte im ganzen Stadtgebiet führen. Ich musste, um in den MAGLEV-Bahnhof hinein zu kommen, mein Gepäck durch eine Röntgenkontrolle schicken. Meine Bahn fuhr 4 Minuten nach meinem Eintreffen ab, und ich zahlte für die Einwegfahrt 40 Yuan, die von meiner Guthabenkarte abgebucht wurden. Hätte ich diesen Zug verpasst, hätte ich 20 Minuten warten müssen.
2130
Der Waggon war geräumig; die Sitze waren mit für China typische, genähte Überzieher geschützt; der Fußboden war nicht in Teppichflorqualität. Es wirkte sauber und verschlissen. Überpünktlich und nur sehr gering besetzt hob sich der Wagen in die Schwebeposition und beschleunigte ganz gleichmäßig auf 301 km/h. Ende!
Video 2137
Angeblich soll die Bahn für 50 Sekunden 420 km/h fahren. Meine tat das nicht. Ich war richtig enttäuscht, denn das schafft auch der TGV und sogar die ICE-Strecken Köln-Frankfurt und Augsburg-München (teilweise) können das mit dem Rad-Schiene-System.
Umsteigen
Die Endhaltestelle des MAGLEV liegt immer noch in Pudong, an der vorletzten Haltestelle der U-Bahn-Linie 2. Um umzusteigen, musste ich den einen Bahnhof verlassen, durchs Freie gehen, und dann den nächsten Bahnhof betreten (und genoss es, dass ich in Shanghai endlich wieder meinen Pullover ausziehen und mit kurzärmligem Hemd herumlaufen konnte). Die U-Bahn fuhr um diese Uhrzeit alle acht Minuten und war, so nah an der Endhaltestelle, so leer, dass jeder einen Sitzplatz fand. Dabei sind die U-Bahnen nicht als Sitzverkehrsmittel, sondern zum Stehen konzipiert. Sitze gibt es nur quer zur Fahrtrichtung an den Fensterfronten. Wie in der New Yorker U-Bahn, wo diese Lösung aber wegen der schmalen Fahrzeuge im viel zu engen Tunnelprofil so gewählt wurde. Am Ren Min Guang Chang musste ich in die Linie 1 umsteigen, an der Huang Pi Nan Lu in den nächsten Bus. Das warten auf das nächste Verkehrsmittel erlebte ich nirgends als lange, die Fußwege beim Umsteigen sind es aber immer. Die U-Bahn-Fahrt kostete 4 Yuan, die Busfahrt (mit Rabatt) einen. Um 21.11 Uhr war ich am Tresen meines Hotels und bekam als neues Zimmer 1105 zugewiesen, nach der Unschönen Seite gelegen.
Fieber
Weil ich, nachdem tagsüber alles OK war, am Abend 39,1 ° C Fieber hatte, beteiligte ich mich nicht am Absacker meiner vorgefundenen Kollegen, sondern legte mich schnell schlafen.
Erkenntnis des Tages: Das schnellste Landverkehrsmittel der Welt ist praktisch eine lahme Kröte. Dazu teuer und unwirtschaftlich. Und ich maßlos enttäuscht!
Mein Rückflug von Xi’an dauerte von 18.07 Uhr bis 19.46 Uhr. Pudong ist ein weitläufiger Flughafen, deswegen waren wir trotz hoher Geschwindigkeit erst um 19.56 Uhr am Gate angedockt. Ich eilte die elend langen, leeren Gänge entlang, durch gähnend weite Hallen und direkt dem Ausgang zu, denn ich hatte als Inlandsfluggast, nur mit Handgepäck, keine Kontrollen und sonstigen Wartezeiten (außer einer kurzen Pinkelpause) hinter mich zu bringen. Mein Ziel war es, endlich die MAGLEV, so wird der erste kommerzielle Transrapid bezeichnet, als Verkehrsmittel zu benutzen. Auf der Transrapid-Teststrecke im Emsland bei Lathen war ich schon mal im TR07 (ich habe nur die verminderte Maximalgeschwindigkeit von 384 km/h mitbekommen) mitgefahren, als das dort noch möglich war. Dort hatte mich vor allem die Vorbeifahrt viel mehr beeindruckt als die Mitfahrt, die ich damals sogar richtig langweilig fand. Und außerdem hatte ich mal Gelegenheit bei einem Berlinbesuch mit meinen Jungs 1990 kurz nach dem Mauerfall eine Fahrt in der M-Bahn (Magnetbahn) auf dem Grenzgrundstück „Gleisdreieck“ (nur drei Haltestellen) zu erleben. Das war ein spurgebundenes (Versuchs-)Verkehrssystem auf eigenem Fahrweg, das nur von 1989 bis 1991 im Passagierbetrieb eingesetzt wurde. Nach dem Mauerfall musste es alsbald der Wiederherstellung der klassischen U-Bahn 2 Platz machen. Als Antrieb benutzte die M-Bahn einen Linearmotor in Langstator-Bauweise im Fahrweg, das heißt, die kastenförmigen Doppelkabinen verfügten weder über Motoren noch Bremssysteme. Geführt wurde die vollautomatische und fahrerlose M-Bahn allerdings sowohl horizontal als auch vertikal von kleinen Rädern. Dadurch waren enge Kurvenradien möglich, wie bei der Straßenbahn, jedoch rumpelte die M-Bahn auch genauso.
2143
MAGLEV
Der Bahnhof der MAGLEV in Pudong liegt genau zwischen Terminal 1 und 2, das heißt, egal, wo man landet, der Fußweg ist immer elend lange. Ich musste an den Taxiständen vorbei, wo die Taxifahrer darauf warten, die Fahrgäste genau bis vor ihr Ziel zu fahren. Ich musste an den Flughafenbushaltestellen vorbei, von wo aus mehrere Linien an wichtige Knotenpunkte im ganzen Stadtgebiet führen. Ich musste, um in den MAGLEV-Bahnhof hinein zu kommen, mein Gepäck durch eine Röntgenkontrolle schicken. Meine Bahn fuhr 4 Minuten nach meinem Eintreffen ab, und ich zahlte für die Einwegfahrt 40 Yuan, die von meiner Guthabenkarte abgebucht wurden. Hätte ich diesen Zug verpasst, hätte ich 20 Minuten warten müssen.
2130
Der Waggon war geräumig; die Sitze waren mit für China typische, genähte Überzieher geschützt; der Fußboden war nicht in Teppichflorqualität. Es wirkte sauber und verschlissen. Überpünktlich und nur sehr gering besetzt hob sich der Wagen in die Schwebeposition und beschleunigte ganz gleichmäßig auf 301 km/h. Ende!
Video 2137
Angeblich soll die Bahn für 50 Sekunden 420 km/h fahren. Meine tat das nicht. Ich war richtig enttäuscht, denn das schafft auch der TGV und sogar die ICE-Strecken Köln-Frankfurt und Augsburg-München (teilweise) können das mit dem Rad-Schiene-System.
Umsteigen
Die Endhaltestelle des MAGLEV liegt immer noch in Pudong, an der vorletzten Haltestelle der U-Bahn-Linie 2. Um umzusteigen, musste ich den einen Bahnhof verlassen, durchs Freie gehen, und dann den nächsten Bahnhof betreten (und genoss es, dass ich in Shanghai endlich wieder meinen Pullover ausziehen und mit kurzärmligem Hemd herumlaufen konnte). Die U-Bahn fuhr um diese Uhrzeit alle acht Minuten und war, so nah an der Endhaltestelle, so leer, dass jeder einen Sitzplatz fand. Dabei sind die U-Bahnen nicht als Sitzverkehrsmittel, sondern zum Stehen konzipiert. Sitze gibt es nur quer zur Fahrtrichtung an den Fensterfronten. Wie in der New Yorker U-Bahn, wo diese Lösung aber wegen der schmalen Fahrzeuge im viel zu engen Tunnelprofil so gewählt wurde. Am Ren Min Guang Chang musste ich in die Linie 1 umsteigen, an der Huang Pi Nan Lu in den nächsten Bus. Das warten auf das nächste Verkehrsmittel erlebte ich nirgends als lange, die Fußwege beim Umsteigen sind es aber immer. Die U-Bahn-Fahrt kostete 4 Yuan, die Busfahrt (mit Rabatt) einen. Um 21.11 Uhr war ich am Tresen meines Hotels und bekam als neues Zimmer 1105 zugewiesen, nach der Unschönen Seite gelegen.
Fieber
Weil ich, nachdem tagsüber alles OK war, am Abend 39,1 ° C Fieber hatte, beteiligte ich mich nicht am Absacker meiner vorgefundenen Kollegen, sondern legte mich schnell schlafen.
Erkenntnis des Tages: Das schnellste Landverkehrsmittel der Welt ist praktisch eine lahme Kröte. Dazu teuer und unwirtschaftlich. Und ich maßlos enttäuscht!
Donnerstag, 23. Oktober 2008
Mittwoch, 22. Oktober 2008
Fahrt zum Flughafen
Raus aus den Federn
Ich musste um 5.00 Uhr früh aus dem Bett; draußen war es noch dunkel, ich machte mich reisefertig und mit aufgehender Sonne lief ich draußen im kurzen Hemd fröhlich mit meinem Rucksack auf dem Rücken zur Zhaojiabang Lu zur Haltestelle des Flughafenbusses, Linie 3, die mich für 17 Yuan in 45 Minuten zum Airport Pudong fahren sollte. Dort angekommen erblickte ich einen anderen wartenden Fahrgast, der an seinem Rollkoffer zu erkennen war. Kurz darauf sprach mich ein Taxifahrer an, ob ich für 40 Yuan zum Flughafen gebracht werden wollte. Mir kam das suspekt vor, weil ich von Kollegen wusste, dass die Fahrt dorthin 140 Yuan kostet. Kurz drauf hielt ein weiterer Taxifahrer an, lud eine Passagierin ein, die ihn offensichtlich gerufen hatte, dann stieg der Mann mit dem Rollenkoffer ein und ich wurde gefragt, ob ich für 50 Yuan auch noch mitfahren wollte. Ich gab zu verstehen, nur für 40 Yuan, was dem Fahrer auch recht war. Die 35 km weite Strecke legten wir in kurzer Zeit zurück, der Fahrer wechselte ständig die Spuren und raste mit bis zu 120 km/h über die Autobahn. Unterwegs stellte er für eine begrenzte Zeit seinen Taxameter an und dann wieder aus, wodurch zwei Quittungen über 30 Yuan und 20 Yuan erzeugt wurden. Die übergab es den chinesischen Fahrgästen. Ich zahlte bar ohne Quittung. Ganz pünktlich war ich zum Einchecken am Counter.
Um 8.41 Uhr hob mein Flieger nach Xi’an ab und landete um 10.55 Uhr. Ich hatte schon angekündigt, dass ich nicht über die wunderbaren Eindrücke und meine persönlichen, unerwarteten Erlebnisse in Xi’an berichten werde. Daran halte ich mich jetzt.
Erkenntnis des Tages: Bei Taxifahrern hat der Kapitalismus im kommunistischen China schon voll gegriffen.
Ich musste um 5.00 Uhr früh aus dem Bett; draußen war es noch dunkel, ich machte mich reisefertig und mit aufgehender Sonne lief ich draußen im kurzen Hemd fröhlich mit meinem Rucksack auf dem Rücken zur Zhaojiabang Lu zur Haltestelle des Flughafenbusses, Linie 3, die mich für 17 Yuan in 45 Minuten zum Airport Pudong fahren sollte. Dort angekommen erblickte ich einen anderen wartenden Fahrgast, der an seinem Rollkoffer zu erkennen war. Kurz darauf sprach mich ein Taxifahrer an, ob ich für 40 Yuan zum Flughafen gebracht werden wollte. Mir kam das suspekt vor, weil ich von Kollegen wusste, dass die Fahrt dorthin 140 Yuan kostet. Kurz drauf hielt ein weiterer Taxifahrer an, lud eine Passagierin ein, die ihn offensichtlich gerufen hatte, dann stieg der Mann mit dem Rollenkoffer ein und ich wurde gefragt, ob ich für 50 Yuan auch noch mitfahren wollte. Ich gab zu verstehen, nur für 40 Yuan, was dem Fahrer auch recht war. Die 35 km weite Strecke legten wir in kurzer Zeit zurück, der Fahrer wechselte ständig die Spuren und raste mit bis zu 120 km/h über die Autobahn. Unterwegs stellte er für eine begrenzte Zeit seinen Taxameter an und dann wieder aus, wodurch zwei Quittungen über 30 Yuan und 20 Yuan erzeugt wurden. Die übergab es den chinesischen Fahrgästen. Ich zahlte bar ohne Quittung. Ganz pünktlich war ich zum Einchecken am Counter.
Um 8.41 Uhr hob mein Flieger nach Xi’an ab und landete um 10.55 Uhr. Ich hatte schon angekündigt, dass ich nicht über die wunderbaren Eindrücke und meine persönlichen, unerwarteten Erlebnisse in Xi’an berichten werde. Daran halte ich mich jetzt.
Erkenntnis des Tages: Bei Taxifahrern hat der Kapitalismus im kommunistischen China schon voll gegriffen.
Dienstag, 21. Oktober 2008
Abschiedsfete
Packprobe
Heute galt es, meinen Abschluss in Shanghai vorzubereiten. Am SHC stehen noch vier Dinge an und außerdem habe ich noch mein Tourismusprogramm außerhalb Shanghais zu absolvieren. Dazu werde ich für drei Tage nach Xi’an reisen und somit mein shanghaier Hotelzimmer für zwei Übernachtungen nicht mehr benötigen. Aus diesem Grund habe ich am Vormittag eine Packprobe mit erschreckender Erkenntnis durchgeführt. Obwohl ich alles sehr geschickt ineinander verstaut habe, ist der Koffer nicht mehr zugegangen – und es sind immer noch Sachen da, die ich mitnehmen will und die einfach nicht hinein passen. Um dieses Thema werde ich mich am Wochenende nochmal kümmern. Alles, was mir gehört, habe ich jetzt im Zimmer eines Kollegen deponiert; nur, was ich für einen Kurztrip brauche, habe ich nicht zurück gelassen; das passt jetzt in einen Rucksack hinein. Selbst meinen Laptop habe ich dabei, damit ich mein Internettagebuch weiter schreiben kann. Jedoch werde ich nur Nachträge verfassen, damit mein Shanghai-Aufenthalt vollständig beschrieben ist. Die touristische Flugreise nach Xi’an, die ich hauptsächlich wegen der Besichtigung der Terrakottaarmee unternehme, wird im BLOG „Peter-inChina“ nicht vorkommen. Ich habe nämlich inzwischen im ersten groben Überblick über diese alte chinesischen Hauptstadt, die Endpunkt der Seidenstraße war, so viel interessantes und wissenswertes herausbekommen, dass ich meine Zeit in Xi’an ansonsten mit schreiben und nicht mit besichtigen verbringen müsste. Ob mir die Zeit vor der Abreise reichen wird, meine Erlebnisse in Hanzhou zu verarbeiten, lasse ich noch offen. Aber über alles, was zum offiziellen Gastprofessorenaufenthalt gehört, werde ich berichten.
Vorbereitungen der Feier
Heute habe ich den Notenspiegel der Bewertung beider Klausuren in das System der chinesischen Prozentbewertung gebracht, in eine Rangliste geschrieben und auch noch eine graphische Darstellung der Rangliste erzeugt. Die wollte ich am Abend nach unserer Abschiedsparty als letzten Betrag an die Wand beamen.
Und meine Bilderserie über Deutschland, Hamburg und Sitten und Gebräuche habe ich so überarbeitet, dass der Showeffekt nicht durch falsche Software oder Inkompatibilitäten beeinträchtigt wird. Denn gut gemeint ist das Gegenteil von gut.
Dann habe ich noch Zeit für den Blognachtrag eingesetzt und bin kurz vor 19.00 Uhr in unseren Partyraum gefahren, ein leergeräumter Vorlesungsaal, der selbe, in dem auch die Elektrotechniker gefeiert haben.
1913
Die Fete
Er war diesmal um Klassen besser hergerichtet worden. Es gab ein einfaches kaltes Buffet, auf Tischen in der Mitte des Raums hergerichtet. Für jeden gab es einen Stuhl; niemand musste auf dem Boden sitzen. Das Programmkomitee hatte sich einen echten Ablauf mit wechselnden Programmpunkten ausgedacht, der mit allen, die etwas beizutragen hatten, abgestimmt war. Die Spiele, die durchgeführt wurden, waren richtig geistreich und interessant, auch aus interkultureller Betrachtungsrichtung. Darauf, dass es auch Spielverderber gab, auch unter den Deutschen, kann ich nicht hier nicht näher eingehen, weil ich mir vorgenommen habe, im Internet nur zuvorkommend und an der objektiven Beobachtung aus meiner subjektiven Sicht festzuhalten und keine Namen zu nennen. Schriebe ich, dass ich mich mitunter geärgert habe, würde das ohnehin nur ein schlechtes Licht auf mich werfen, was ich natürlich vermeiden möchte. Bei den Themen meiner Bilderserien interessierte die Studenten am meisten das Thema „Essen“, an zweiter Stelle das Thema „Feste“. Essen ist ja ein Grundbedürfnis jedes Menschen, das eigentlich erst wichtig wird, wenn es nicht zufriedenstellend befriedigt wird. Vielleicht erleben die chinesischen Studenten, gemessen an ihren Erwartungen, mit dem Mensaessen so herbe Enttäuschungen, dass sie das als tägliche Wichtigkeit erleben. Oder sie haben Angst vor dem großen Unbekannten, das sie in Europa erwarten würde, vergleichbar mit der Chinaphobie, die ich unter Deutschen wiederholt erlebt habe. Auch an dieser Stelle entscheidet sich, ob grundsätzlich eine interkulturelle Kompetenz vorhanden ist. Wenn die Studenten im Laufe ihres Studiums und danach, diese Form von Sozialkompetenz erwerben könnten, wäre ein wichtiger Ausbildungsabschnitt des SHC-Studiums, neben dem Erwerb der Fachkompetenz und der deutschen Sprachfähigkeit, erfolgreich erfüllt. Das geht aber nur bei einem Deutschlandaufenthalt, bei dem die chinesischen Studenten nicht von Deutschen abgeschottet bleiben und immer nur beieinander glucken, weil sie sich untereinander vertraut sind und sich bequemer auf Chinesisch unterhalten können, als sich auf Deutsch durchkämpfen zu müssen. Auf den Fotos fiel ihnen auf, dass immer mit Messer und Gabel gegessen wird. Diese formulierte Beobachtung zeigte mir, dass ihnen uns etwas ganz selbstverständliches völlig fremd ist – da muss also die interkulturelle Kompetenz noch nachgeschärft werden.
1918
Alkohol im Spiel
Auch auf Deutscher Seite gab es bei einem Spiel heftiges Unverständnis. Der Ablauf des Spiels wurde so vorgestellt: Drei Kandidaten trinken nacheinander aus ihrem jeweiligen Becherchen. In zweien ist Wasser abgefüllt, der dritte enthält Weißwein. Nun sollen die Zuschauer anhand der Mimik und der Reaktionen der Trinkenden identifizieren, wer den Weißwein getrunken hat. Dabei sollen die drei Kandidaten mit möglichst viel schauspielerischem Geschick den Zuschauern vorgaukeln, sie seien die Weißweintrinker. Ich war in der ersten Runde als Schauspieler dran und wusste ehrlich nicht, wie ich spielen sollte. Gilt Weißwein in China als angenehm oder als neutral oder als widerlich? Bei Rotwein weiß ich, dass viele Chinesen den bestellen, weil er so schick westlich und teuer (genauso teuer wie in Deutschland) ist; mögen tun sie ihn aber nicht, weil er ihnen nicht süß genug ist. Deswegen wird gerne mit Zucker oder Süßstoff nachgeholfen. Tee dagegen wird nie und nirgends gesüßt. Als ich nach der ersten Runde mitkriegte, worum es ging, wusste ich, welcher Kulturbruch, gepaart mit mangelhafter Übersetzung, sich hier eingeschlichen hatte. Alle alkoholischen Getränke, außer Bier, werden in China englisch mit wine und deutsch mit Wein übersetzt (Bier findet man auf englischsprachigen Speisenkarten meist als „bear“ angeboten), obwohl traditionell die Weinbeere nicht gekeltert wird. Die neuen Versuche einer Weinverarbeitung mit den Marken „Great Wall“ und „Great Dragon“ haben sich im Alltag noch lange nicht durchgesetzt. Gemeint ist ein „alkoholhaltiges Getränke, Spirituose“. Meist besteht der chinesische wine bzw. Wein aus einem Destillat von Mais, Hirse oder anderen Getreidesorten, vor allem aber aus Reis. Reiswein ist eine auch in Deutschland bekannte Bezeichnung für das Getränk aus Ostasien; eine Deutschlehrerin mutmaßte deshalb, dass das in deutschen Ohren verwandt klingende Wort Reiswein mit Weißwein verwechselt wurde. Die richtige Lösung heißt: je nach Destillationsgrad hat der Reiswein eine gelbe (Alkoholgehalt mit unserem Bier vergleichbar), eine braune (Alkoholgehalt in der Größenordnung unseres Weins, schmeckt dem Wermut verwandt) oder eine weiße (korrekt würden wir sagen klare, farblose) Farbe (Alkoholgehalt ab Likörqualität, meist aber wesentlich höher als unser doppeltgebrannter Schnaps). Die alkoholischen Getränke heißen auf Chinesisch alle 酒 jiǔ, zum Beispiel: 啤酒 píjiǔ (Bier-Spirituose) = Bier; 黄酒 huángjiǔ (gelb-Spirituose) = Reiswein; 红酒 hóngjiǔ (rot-Spirituose) = Rotwein; 白酒 báijiǔ (weiß-Spirituose) = Schnaps (und eben nur bei sehr undifferenzierter Übersetzung „Weißwein“). Sowas saufen harte Männer hier (gibt es für einen Spottpreis), und die Studenten hatten einen 80%-er mitgebracht (nur einen kleinen Flachmann voll und für jeden „nur einen wönzigen Schlock“). So gesehen wird das Spiel plötzlich sinnvoll.
1919
Das Programm des Abschiedsabends war richtig kurzweilig, abwechslungsreich, anspruchsvoll und wurde von allen genossen, es gab sogar Preise (deutsche Nico-Stoff-Handpuppen aus chinesischer Nachmacherproduktion) zu gewinnen. Das Gruppenfoto durfte natürlich nicht fehlen. Um zehn Uhr wollten alle noch weitermachen, aber die Fete wurde aus Uhrzeitgründen dann beendet. Die Studenten hatten 470,- Yuan ausgegeben, und bezahlt haben wir Professoren; jedenfalls zwei von uns.
Leider konnte ich meine vorbereitete Klausur-Ergebnisliste nicht präsentieren, weil ich sie auf meinem USB-Stick unter Office 2007 abgespeichert hatte und alle anwesenden Laptops nur über die Vorgängerversion Office 2003 verfügten. Das war natürlich mein Fehler. Die lesbare Version konnte am nächsten Morgen im Sekretariat des SHC abgeholt werden.
Erkenntnis des Tages: Es hängt von der Akteuren ab, ob man die gleiche Sache mit Vergnügen oder gelangweilt erlebt.
Heute galt es, meinen Abschluss in Shanghai vorzubereiten. Am SHC stehen noch vier Dinge an und außerdem habe ich noch mein Tourismusprogramm außerhalb Shanghais zu absolvieren. Dazu werde ich für drei Tage nach Xi’an reisen und somit mein shanghaier Hotelzimmer für zwei Übernachtungen nicht mehr benötigen. Aus diesem Grund habe ich am Vormittag eine Packprobe mit erschreckender Erkenntnis durchgeführt. Obwohl ich alles sehr geschickt ineinander verstaut habe, ist der Koffer nicht mehr zugegangen – und es sind immer noch Sachen da, die ich mitnehmen will und die einfach nicht hinein passen. Um dieses Thema werde ich mich am Wochenende nochmal kümmern. Alles, was mir gehört, habe ich jetzt im Zimmer eines Kollegen deponiert; nur, was ich für einen Kurztrip brauche, habe ich nicht zurück gelassen; das passt jetzt in einen Rucksack hinein. Selbst meinen Laptop habe ich dabei, damit ich mein Internettagebuch weiter schreiben kann. Jedoch werde ich nur Nachträge verfassen, damit mein Shanghai-Aufenthalt vollständig beschrieben ist. Die touristische Flugreise nach Xi’an, die ich hauptsächlich wegen der Besichtigung der Terrakottaarmee unternehme, wird im BLOG „Peter-inChina“ nicht vorkommen. Ich habe nämlich inzwischen im ersten groben Überblick über diese alte chinesischen Hauptstadt, die Endpunkt der Seidenstraße war, so viel interessantes und wissenswertes herausbekommen, dass ich meine Zeit in Xi’an ansonsten mit schreiben und nicht mit besichtigen verbringen müsste. Ob mir die Zeit vor der Abreise reichen wird, meine Erlebnisse in Hanzhou zu verarbeiten, lasse ich noch offen. Aber über alles, was zum offiziellen Gastprofessorenaufenthalt gehört, werde ich berichten.
Vorbereitungen der Feier
Heute habe ich den Notenspiegel der Bewertung beider Klausuren in das System der chinesischen Prozentbewertung gebracht, in eine Rangliste geschrieben und auch noch eine graphische Darstellung der Rangliste erzeugt. Die wollte ich am Abend nach unserer Abschiedsparty als letzten Betrag an die Wand beamen.
Und meine Bilderserie über Deutschland, Hamburg und Sitten und Gebräuche habe ich so überarbeitet, dass der Showeffekt nicht durch falsche Software oder Inkompatibilitäten beeinträchtigt wird. Denn gut gemeint ist das Gegenteil von gut.
Dann habe ich noch Zeit für den Blognachtrag eingesetzt und bin kurz vor 19.00 Uhr in unseren Partyraum gefahren, ein leergeräumter Vorlesungsaal, der selbe, in dem auch die Elektrotechniker gefeiert haben.
1913
Die Fete
Er war diesmal um Klassen besser hergerichtet worden. Es gab ein einfaches kaltes Buffet, auf Tischen in der Mitte des Raums hergerichtet. Für jeden gab es einen Stuhl; niemand musste auf dem Boden sitzen. Das Programmkomitee hatte sich einen echten Ablauf mit wechselnden Programmpunkten ausgedacht, der mit allen, die etwas beizutragen hatten, abgestimmt war. Die Spiele, die durchgeführt wurden, waren richtig geistreich und interessant, auch aus interkultureller Betrachtungsrichtung. Darauf, dass es auch Spielverderber gab, auch unter den Deutschen, kann ich nicht hier nicht näher eingehen, weil ich mir vorgenommen habe, im Internet nur zuvorkommend und an der objektiven Beobachtung aus meiner subjektiven Sicht festzuhalten und keine Namen zu nennen. Schriebe ich, dass ich mich mitunter geärgert habe, würde das ohnehin nur ein schlechtes Licht auf mich werfen, was ich natürlich vermeiden möchte. Bei den Themen meiner Bilderserien interessierte die Studenten am meisten das Thema „Essen“, an zweiter Stelle das Thema „Feste“. Essen ist ja ein Grundbedürfnis jedes Menschen, das eigentlich erst wichtig wird, wenn es nicht zufriedenstellend befriedigt wird. Vielleicht erleben die chinesischen Studenten, gemessen an ihren Erwartungen, mit dem Mensaessen so herbe Enttäuschungen, dass sie das als tägliche Wichtigkeit erleben. Oder sie haben Angst vor dem großen Unbekannten, das sie in Europa erwarten würde, vergleichbar mit der Chinaphobie, die ich unter Deutschen wiederholt erlebt habe. Auch an dieser Stelle entscheidet sich, ob grundsätzlich eine interkulturelle Kompetenz vorhanden ist. Wenn die Studenten im Laufe ihres Studiums und danach, diese Form von Sozialkompetenz erwerben könnten, wäre ein wichtiger Ausbildungsabschnitt des SHC-Studiums, neben dem Erwerb der Fachkompetenz und der deutschen Sprachfähigkeit, erfolgreich erfüllt. Das geht aber nur bei einem Deutschlandaufenthalt, bei dem die chinesischen Studenten nicht von Deutschen abgeschottet bleiben und immer nur beieinander glucken, weil sie sich untereinander vertraut sind und sich bequemer auf Chinesisch unterhalten können, als sich auf Deutsch durchkämpfen zu müssen. Auf den Fotos fiel ihnen auf, dass immer mit Messer und Gabel gegessen wird. Diese formulierte Beobachtung zeigte mir, dass ihnen uns etwas ganz selbstverständliches völlig fremd ist – da muss also die interkulturelle Kompetenz noch nachgeschärft werden.
1918
Alkohol im Spiel
Auch auf Deutscher Seite gab es bei einem Spiel heftiges Unverständnis. Der Ablauf des Spiels wurde so vorgestellt: Drei Kandidaten trinken nacheinander aus ihrem jeweiligen Becherchen. In zweien ist Wasser abgefüllt, der dritte enthält Weißwein. Nun sollen die Zuschauer anhand der Mimik und der Reaktionen der Trinkenden identifizieren, wer den Weißwein getrunken hat. Dabei sollen die drei Kandidaten mit möglichst viel schauspielerischem Geschick den Zuschauern vorgaukeln, sie seien die Weißweintrinker. Ich war in der ersten Runde als Schauspieler dran und wusste ehrlich nicht, wie ich spielen sollte. Gilt Weißwein in China als angenehm oder als neutral oder als widerlich? Bei Rotwein weiß ich, dass viele Chinesen den bestellen, weil er so schick westlich und teuer (genauso teuer wie in Deutschland) ist; mögen tun sie ihn aber nicht, weil er ihnen nicht süß genug ist. Deswegen wird gerne mit Zucker oder Süßstoff nachgeholfen. Tee dagegen wird nie und nirgends gesüßt. Als ich nach der ersten Runde mitkriegte, worum es ging, wusste ich, welcher Kulturbruch, gepaart mit mangelhafter Übersetzung, sich hier eingeschlichen hatte. Alle alkoholischen Getränke, außer Bier, werden in China englisch mit wine und deutsch mit Wein übersetzt (Bier findet man auf englischsprachigen Speisenkarten meist als „bear“ angeboten), obwohl traditionell die Weinbeere nicht gekeltert wird. Die neuen Versuche einer Weinverarbeitung mit den Marken „Great Wall“ und „Great Dragon“ haben sich im Alltag noch lange nicht durchgesetzt. Gemeint ist ein „alkoholhaltiges Getränke, Spirituose“. Meist besteht der chinesische wine bzw. Wein aus einem Destillat von Mais, Hirse oder anderen Getreidesorten, vor allem aber aus Reis. Reiswein ist eine auch in Deutschland bekannte Bezeichnung für das Getränk aus Ostasien; eine Deutschlehrerin mutmaßte deshalb, dass das in deutschen Ohren verwandt klingende Wort Reiswein mit Weißwein verwechselt wurde. Die richtige Lösung heißt: je nach Destillationsgrad hat der Reiswein eine gelbe (Alkoholgehalt mit unserem Bier vergleichbar), eine braune (Alkoholgehalt in der Größenordnung unseres Weins, schmeckt dem Wermut verwandt) oder eine weiße (korrekt würden wir sagen klare, farblose) Farbe (Alkoholgehalt ab Likörqualität, meist aber wesentlich höher als unser doppeltgebrannter Schnaps). Die alkoholischen Getränke heißen auf Chinesisch alle 酒 jiǔ, zum Beispiel: 啤酒 píjiǔ (Bier-Spirituose) = Bier; 黄酒 huángjiǔ (gelb-Spirituose) = Reiswein; 红酒 hóngjiǔ (rot-Spirituose) = Rotwein; 白酒 báijiǔ (weiß-Spirituose) = Schnaps (und eben nur bei sehr undifferenzierter Übersetzung „Weißwein“). Sowas saufen harte Männer hier (gibt es für einen Spottpreis), und die Studenten hatten einen 80%-er mitgebracht (nur einen kleinen Flachmann voll und für jeden „nur einen wönzigen Schlock“). So gesehen wird das Spiel plötzlich sinnvoll.
1919
Das Programm des Abschiedsabends war richtig kurzweilig, abwechslungsreich, anspruchsvoll und wurde von allen genossen, es gab sogar Preise (deutsche Nico-Stoff-Handpuppen aus chinesischer Nachmacherproduktion) zu gewinnen. Das Gruppenfoto durfte natürlich nicht fehlen. Um zehn Uhr wollten alle noch weitermachen, aber die Fete wurde aus Uhrzeitgründen dann beendet. Die Studenten hatten 470,- Yuan ausgegeben, und bezahlt haben wir Professoren; jedenfalls zwei von uns.
Leider konnte ich meine vorbereitete Klausur-Ergebnisliste nicht präsentieren, weil ich sie auf meinem USB-Stick unter Office 2007 abgespeichert hatte und alle anwesenden Laptops nur über die Vorgängerversion Office 2003 verfügten. Das war natürlich mein Fehler. Die lesbare Version konnte am nächsten Morgen im Sekretariat des SHC abgeholt werden.
Erkenntnis des Tages: Es hängt von der Akteuren ab, ob man die gleiche Sache mit Vergnügen oder gelangweilt erlebt.
Montag, 20. Oktober 2008
Klausurabschluss
Fleißarbeit
Heute habe ich mir vorgenommen, mich voll auf die Klausurkorrektur zu konzentrieren. Das ist mir bei vielen Tassen Oolong-Tee gut gelungen; am Freitag hatte ich Vorbereitungen für das eigentliche Korrigieren getroffen: Punktzahlenvergabe, Rechenwege, Alternativmöglichkeiten, so dass die Durchsicht der Klausuren viel schneller, ging als ich mir Zeit dafür eingeplant hatte. Das ist eine gute Methode, die ich, wieder in Deutschland, auch einführen werde. Denn zig-mal hintereinander den gleichen Text und die gleichen Rechenaufgaben durchzusehen, kann ganz schön langweilig sein, wie Fabrikarbeit und keineswegs geistig herausfordernd. Am Nachmittag war ich also schon fertig und trotz hochkonzentrierter, ununterbrochener Anstrengung fühlte ich mich nach Abschluss aller Arbeit richtig beflügelt und adrenalinerfüllt. Nach chinesischem System werden 60% der möglichen Punkte benötigt, damit man bestanden hat, in Deutschland sind es 50%. Deswegen musste ich noch ein paar Anpassungen machen, denn es sollte niemand durchfallen, der es nicht wirklich verdient hat. Die größte Anzahl lag, im deutschen Notensystem ausgedrückt, bei ausreichend bis befriedigend (sie konnten gerade den Kopf über die 60%-Linie herausheben, um doch noch genügend Luft zu schnappen, um zu überleben), einige Shootingsstars waren dabei (die beeindruckend sind wie springende Delphine, die sich ganz aus dem Wasser lösen können) und mit ihnen etwa zehn gute Studenten sowie sechs Durchfaller (abgrundtief Abgetauchte, die in dem Dunkel der Tiefsee ihr Dasein fristen müssen).
Reisevorbereitungen
Ich bin danach an den Campus geradelt, wo ich mir von unserem Betreuer helfen ließ, erst eine Reise nach Xi’an und dann eine nach Hangzhou zu buchen. Nach Hangzhou werde ich am Montag mit der Bahn fahren (1 Stunde 18 Minuten mit dem Schnellzug für 64,- Yuan in der ersten Klasse (2. Klasse: 54,- Yuan) pro Strecke. Eigentlich gibt es in der klassenlosen Volksrepublik China natürlich auch bei der Bahn keine Klassen mehr, deswegen wird von Softseat und Hardseat gesprochen, obwohl beide Klassen heutzutage gepolsterte Sitze haben. Der Unterschied liegt im Sitzabstand) und eine Nacht dort verbringen. Nach Xi’an würde es mit dem Zug über 20 Stunden dauern, denn das liegt Luftlinie 1800 km entfernt. Deswegen werde ich das Flugzeug benutzen. In China gibt es einen Rabatt auf den Flugpreis zu schwach belegten Zeiten und das ist, anders als bei uns, während der Woche frühmorgens und spätabends. Am Wochenende ist es besonders teuer. So werde ich am Mittwoch um 8.15 Uhr mit einem 60%-Rabatt für 850,- Yuan hinfliegen, zweimal in der historischen Innenstadt übernachten und am Freitagabend mit wesentlich weniger Rabatt für 1230,- Yuan zurückfliegen, jeweils inklusive der Steuern und Versicherungsgebühren. Ich machte mich auf die Suche nach der Abfahrtsbushaltestelle des Shuttlebusses, dessen Beschriftung ohne arabische Zahlen nur auf Chinesisch das Fahrziel angibt, in der Nähe unseres Hotels zum Flughafen Pudong, damit ich nicht am Mittwochmorgen hektisch suchen muss.
Ein weiteres Abschiedsessen
Am Abend war ich vom verbliebenen Kollegen, mit dem ich nun zwei Monate Lebenszeit geteilt hatte, noch zu einem Zweierabendessen eingeladen worden, und wir resümierten die Zeit und die Ereignisse mit einer gewissen nostalgischen Wehmut, er aber auch mit einer Vorfreude auf zu Hause und ich mit Reisefieber im Hinblick auf meine nächsten Exkursionen.
Frisör, aber anders
Auf dem Heimweg bog ich noch bei einem Frisör vorbei und optimierte meine Auswahl nach der Zahl der freien Plätze und Frisöre im Laden, kam sofort dran, war nach kurzer Zeit fertig und bezahlte nur 10Yuan. Dafür habe ich mir Kopf- und Nackenmassage, umständliches Ohrenreinigen und einen verkünstelten Scherenhaarschnitt vom Maestro entgehen lassen, kam unter den Elektroscherkopf und bin trotzdem mit den Ergebnis sehr zufrieden. Ich bin einfach kein Mensch für stundenlange Wellness-Behandlung.
Altersbeschwerden?
Zuhause erschrak ich heftig, als ich Blut in Urin feststellte, was mich wegen Harndrangs die ganze Nacht auf die Toilette zog, aber zum Glück war am Morgen alles wieder klar. Ich malte mir aus, was ein langwieriger Krankenhausaufenthalt in China für Auswirkungen auf mich haben würde, denn sprachlos und unfähig zu lesen würde ich mir, ans Bett gefesselt, wie in Einzelhaft vorkommen. Dazu noch die fremden Sitten und Gebräuche: ich wüsste nicht, wie mir geschieht.
Erkenntnis des Tages: Abgeschlossene Arbeit verleiht echte Freiheit.
Heute habe ich mir vorgenommen, mich voll auf die Klausurkorrektur zu konzentrieren. Das ist mir bei vielen Tassen Oolong-Tee gut gelungen; am Freitag hatte ich Vorbereitungen für das eigentliche Korrigieren getroffen: Punktzahlenvergabe, Rechenwege, Alternativmöglichkeiten, so dass die Durchsicht der Klausuren viel schneller, ging als ich mir Zeit dafür eingeplant hatte. Das ist eine gute Methode, die ich, wieder in Deutschland, auch einführen werde. Denn zig-mal hintereinander den gleichen Text und die gleichen Rechenaufgaben durchzusehen, kann ganz schön langweilig sein, wie Fabrikarbeit und keineswegs geistig herausfordernd. Am Nachmittag war ich also schon fertig und trotz hochkonzentrierter, ununterbrochener Anstrengung fühlte ich mich nach Abschluss aller Arbeit richtig beflügelt und adrenalinerfüllt. Nach chinesischem System werden 60% der möglichen Punkte benötigt, damit man bestanden hat, in Deutschland sind es 50%. Deswegen musste ich noch ein paar Anpassungen machen, denn es sollte niemand durchfallen, der es nicht wirklich verdient hat. Die größte Anzahl lag, im deutschen Notensystem ausgedrückt, bei ausreichend bis befriedigend (sie konnten gerade den Kopf über die 60%-Linie herausheben, um doch noch genügend Luft zu schnappen, um zu überleben), einige Shootingsstars waren dabei (die beeindruckend sind wie springende Delphine, die sich ganz aus dem Wasser lösen können) und mit ihnen etwa zehn gute Studenten sowie sechs Durchfaller (abgrundtief Abgetauchte, die in dem Dunkel der Tiefsee ihr Dasein fristen müssen).
Reisevorbereitungen
Ich bin danach an den Campus geradelt, wo ich mir von unserem Betreuer helfen ließ, erst eine Reise nach Xi’an und dann eine nach Hangzhou zu buchen. Nach Hangzhou werde ich am Montag mit der Bahn fahren (1 Stunde 18 Minuten mit dem Schnellzug für 64,- Yuan in der ersten Klasse (2. Klasse: 54,- Yuan) pro Strecke. Eigentlich gibt es in der klassenlosen Volksrepublik China natürlich auch bei der Bahn keine Klassen mehr, deswegen wird von Softseat und Hardseat gesprochen, obwohl beide Klassen heutzutage gepolsterte Sitze haben. Der Unterschied liegt im Sitzabstand) und eine Nacht dort verbringen. Nach Xi’an würde es mit dem Zug über 20 Stunden dauern, denn das liegt Luftlinie 1800 km entfernt. Deswegen werde ich das Flugzeug benutzen. In China gibt es einen Rabatt auf den Flugpreis zu schwach belegten Zeiten und das ist, anders als bei uns, während der Woche frühmorgens und spätabends. Am Wochenende ist es besonders teuer. So werde ich am Mittwoch um 8.15 Uhr mit einem 60%-Rabatt für 850,- Yuan hinfliegen, zweimal in der historischen Innenstadt übernachten und am Freitagabend mit wesentlich weniger Rabatt für 1230,- Yuan zurückfliegen, jeweils inklusive der Steuern und Versicherungsgebühren. Ich machte mich auf die Suche nach der Abfahrtsbushaltestelle des Shuttlebusses, dessen Beschriftung ohne arabische Zahlen nur auf Chinesisch das Fahrziel angibt, in der Nähe unseres Hotels zum Flughafen Pudong, damit ich nicht am Mittwochmorgen hektisch suchen muss.
Ein weiteres Abschiedsessen
Am Abend war ich vom verbliebenen Kollegen, mit dem ich nun zwei Monate Lebenszeit geteilt hatte, noch zu einem Zweierabendessen eingeladen worden, und wir resümierten die Zeit und die Ereignisse mit einer gewissen nostalgischen Wehmut, er aber auch mit einer Vorfreude auf zu Hause und ich mit Reisefieber im Hinblick auf meine nächsten Exkursionen.
Frisör, aber anders
Auf dem Heimweg bog ich noch bei einem Frisör vorbei und optimierte meine Auswahl nach der Zahl der freien Plätze und Frisöre im Laden, kam sofort dran, war nach kurzer Zeit fertig und bezahlte nur 10Yuan. Dafür habe ich mir Kopf- und Nackenmassage, umständliches Ohrenreinigen und einen verkünstelten Scherenhaarschnitt vom Maestro entgehen lassen, kam unter den Elektroscherkopf und bin trotzdem mit den Ergebnis sehr zufrieden. Ich bin einfach kein Mensch für stundenlange Wellness-Behandlung.
Altersbeschwerden?
Zuhause erschrak ich heftig, als ich Blut in Urin feststellte, was mich wegen Harndrangs die ganze Nacht auf die Toilette zog, aber zum Glück war am Morgen alles wieder klar. Ich malte mir aus, was ein langwieriger Krankenhausaufenthalt in China für Auswirkungen auf mich haben würde, denn sprachlos und unfähig zu lesen würde ich mir, ans Bett gefesselt, wie in Einzelhaft vorkommen. Dazu noch die fremden Sitten und Gebräuche: ich wüsste nicht, wie mir geschieht.
Erkenntnis des Tages: Abgeschlossene Arbeit verleiht echte Freiheit.
Sonntag, 19. Oktober 2008
Bambusmeer
Infos über die Kleinstadt An Ji
Im großen Bambusmeer
Seilfahrt
Henkersfahrt
Erkenntnis des Tages:
Im großen Bambusmeer
Seilfahrt
Henkersfahrt
Erkenntnis des Tages:
Samstag, 18. Oktober 2008
Reise in die Provinz
Land und Leute
Unsere Busfahrt begann um 8.15 Uhr für alle, die dort wohnen am Er Yi-Hotel; die anderen saßen schon bereit, so dass der Fahrer zügig auf die innerstädtische Yan’an Hochstraße in Richtung Süd-Westen einfädeln konnte. Das ist die Hochstraße, die Shanghai in Ost-West-Richtung durchschneidet und schließlich unter dem Huangpu hindurch nach Pudong geführt wird; wir fuhren allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Ich saß ganz vorne, damit ich auch während der Fahrt viel sehen konnte. Es fiel mir auf, dass der Chauffeur kein einziges Mal in der Stadt hupte; das ist verwunderlich, weil total ungewöhnlich. Diese kleine Reise war eine Einladung unserer chinesischen Kollegen vom Shanghai-Hamburg-College an alle deutschen Professoren und die deutschen Deutschlehrerinnen sowie die jeweiligen Partner. Etwa die Hälfte der Teilnehmer waren Deutsche, die andere Hälfte Chinesen.
Reiseführer
Mit der Organisation war ein örtliches Reisebüro beauftragt worden, sodass wir einen eigenen Fremdenführer während der ganzen Fahrt bei uns hatten. Leider war irgendwie versäumt worden, einen englischsprachigen Reiseführer zu bestellen, weswegen alle Informationen auf Chinesisch gegeben wurden. Mehrere unserer chinesischen Kollegen versuchten zwar zu übersetzen, aber es war schwierig, alles mitzubekommen, auch weil die Nichtprofis in Besichtigungsprogrammerklärung das Mikrofon nicht richtig halten konnten und dadurch ab zwei Reihen hinter mir allein schon akustisch nichts mehr ankam. Ich war also noch relativ gut dran. Wir erreichten am zweiten Autobahnring, das ist die A20, in Höhe des Shanghaier Zoos, die A9, auf der die Fahrt lange weiterging. Dazu mussten wir das erste Mal ein von vielen weiteren Zahlstellen passieren. Die Autobahnen in China sind gebührenpflichtig. Nach meiner Beobachtung kosten 100 km für einen Bus ungefähr 50 Yuan. Es ist das gleiche System wie in Frankreich: Unterwegs auf der Strecke sind gelegentlich Mautregistrierungs-, an anderen Stellen Mautzahlstellen, wie auch an jeder Ausfahrt eine Zahlstelle ist. Das wunderte mich, weil die Chinesen wegen ihrer enormen, und meiner Meinung nach für die Bevölkerung zu schnellen Wachstumsgeschwindigkeit sonst immer auf modernstem technischen Standard sind. Hier haben sie aber nicht das deutsche Tollcollect-System übernommen, und ich rätselte über die Gründe. Einer könnte sein, dass alle Autos mit einer teuren On-Board-Unit ausgerüstet sein müssten. Zweitens würden bestimmt viele als Mautpreller einfach nicht bezahlen, was einen immensen Kontrollaufwand zur Folge haben würde, der teurer wäre als die entgangene Maut – die Chinesen halten sich auch sonst nicht an die geltenden Verkehrsregeln, wenn sie nicht überwacht sind. Und drittens würden die Karren, Roller, Fahrräder und Fußgänger sich ganz bestimmt nicht von einem bloßen Verkehrsschild von der Benutzung der Autobahn abhalten lassen. Die Mautstellen haben in China also nicht in erster Linie die Funktion einer Geldkassiereinrichtung, sondern dienen zuvorderst zur Sicherstellung der Verkehrssicherungspflicht. An dieser Zahlstelle geschah auch eine wunderliche Wandlung bei unseren Fahrer, der plötzlich zum Lenkradkamikazepiloten wurde, wie ein Windhund, der nicht anders kann als seinem genetisch eingepflanzten Trieb zu folgen und bei Sichtkontakt mit dem künstlichen Köderhasen laufen muss, als ginge es ums Leben. Um selbiges hatten einige von uns Passagieren ernsthafte Sorgen entwickelt, denn die genetische Disposition unseres Kraftomnibuschauffeurs hielt bis zum Abschluss der Reise ohne erkennbare Verminderung durch. Seine brutal gellende Hochdruckfanfare holte er jetzt aus ihrer bisherigen Verborgenheit heraus, wie seinerzeit die Senatoren in Rom ihre Dolche, als sie dem Ruhme Caesars bei seinem letzten Akt endgültig zur Unsterblichkeit verhalfen, indem sie ihn dem Tode überantworteten. Die Konstruktion unseres Golden Dragon Busses mit seinem starren Leiterrahmen, der Längsblattfederung der Achsen und dem extrem kurzen Radstand mit sehr langem Karossenüberhang hinten und die Bauart der Autobahn mit querfugengeteiler Betonfahrbahn und mangelndem Höhenausgleich verschiedener Bauabschnitte führte zu sehr harmonischen Schwingungen, die besonders ganz weit vorne und ganz weit hinten im Bus zu spüren waren und das Fahrzeug mit gazellengleicher Eleganz durch die Landschaft hüpfen ließ. Im internationalen Vergleich lernt man die heute standardmäßige Luftfederung entsprechender Reisebusse in Deutschland nach bereits 30 km Fahrt in einem ohne richtig heftig schätzen.
Straßen in Shanghai
Unterwegs gab der Reiseführer organisatorische Informationen und versuchte uns dann, als seien wir eine der zahlreichen Reisegruppen aus einer fernen chinesischen Provinz, die endlich mal die Megametropole Shanghai zu Gesicht bekommt, Fakten und Episödchen über und aus Shanghai zu vermitteln. Für seine Shanghaier Zuhörer war das irgendwie langweilig, weil sie das meiste schon kannten und für diejenigen aus Deutschland waren seine Beispiele und Erkenntnisse am germanischen Erfahrungshorizont vorbei erzählt und kamen irgendwie nicht so an, wie er es sonst vielleicht gewohnt war. Und ein Großteil der Deutschen, der hinten im Bus saß, bekam von der Übersetzung, wie schon berichtet, sowieso akustisch nichts mit.
Zum Beispiel sagte er, dass man sich in Shanghai trotz unübersichtlicher Größe hervorragend orientieren könne, weil die Straßen in Nord-Süd-Richtung alle nach Provinzen und die in Ost-West-Richtung alle nach Städtenamen bezeichnet werden. Wenn ich also künftig Xiang Yang Lu oder Wu Lu Mu Qi Lu höre, dann erinnere ich mich einfach und sage: Jawoll, Nord-Süd-Richtung! – oder Ost-West bei Nan Dan Lu oder Ling Ling Lu! Das ist doch ein genial einfaches System, oder?
Pudong in Vergangenheit und Gegenwart
Er berichtete, von der dramatisch aufstrebenden Entwicklung von Pudong, über das der bei allen unseren Shanghaier Kollegen bekannte alte Reimvers existiert, den sie zum Beweis gleich alle mitskandierten: Ning Yao Pu Xi, Yi Zhang Chuang, Bu Yao Pu Dong, Yi Jian Fang, Lieber-wollen-Flussufer-Westen-ein-(Zählwort für Gegenstände mit flacher Oberfläche)-Bett-nicht-wollen-Flussufer-Osten-ein-(Zählwort für Räume)-Zimmer: Lieber ein Bett in Puxi als ein Zimmer in Pudong. Leider reimt sich das im Deutschen nicht, aber die alte Lebensweisheit hat sich ziemlich plötzlich ins Gegenteil verkehrt. Vielleicht wird in Hamburg bald mancher Wilhelmsburger, auf dessen Wohnort heute verächtlich herabgeschaut wird, als Trendsetter demnächst im angesagtesten Stadtteil wohnen – oder sein Sohn, vielleicht auch erst sein Enkel, hoffnungsvollerweise aber spätestens sein Urenkel – wir haben doch keine so ungesunden Entwicklungsgeschwindigkeiten wie in China!
Xujiahui
Dann erzählte er von der älteren Geschichte des weit über die Stadtgrenzen bekannten Shanghaier Stadtteils Xujiahui: Die kann zurückverfolgt werden bis in die Ming-Dynastie, als der berühmte Gelehrte Xu Guangqi, ein wichtiger Beamter des Großen Rats, an diesem Ort einen landwirtschaftlichen Lehrbetrieb errichtet hatte, um experimentelle Agrikultur durchführen zu lassen und darüber wissenschaftliche Bücher zu schreiben. Dort wurde er auch nach seinem Tod begraben. Nachfahren von ihn hatten sich stark vermehrt und waren sesshaft geblieben, sodass zunächst vom „Dorf der Xu Jia, (Xu-Familie)“ gesprochen wurde, bis sich dann nach und nach eine Stadt, die den Namen Xu Jiahui trägt, entwickelte. Hui bedeutet Zusammenfluss, weil an diesem Ort der Zhaojia-Bach und der Licong-Fluss sich vereinen. Heute sind die Wasserwege kanalisiert, verdoldet, zugeschüttet oder überbaut. Wegen der Einsilbigkeit der chinesischen Sprache und der Bedeutungseindeutigkeit der chinesischen Schrift, erhalten sich chinesische Namen über Geschichtsperioden besser als in Deutschland: Wer würde darauf kommen, dass Koblenz von lat. Confluentes (Zusammenfluss – nämlich von Mosel und Rhein) herkommt.
Provinz Zhejiang
Als wir die Provinzgrenze von Zhejiang erreichten, erläuterte er noch schnell, dass diese Provinz über 13 Städte verfügt. Dann sah er vermutlich in (aus oben beschriebenen Gründen) geistig abwesende Gesichter und schlug vor, dass man sich zur Vorbereitung auf das Mittagessen noch ein wenig ausruhen sollte. Von da ab muss er etwas frustriert gewesen sein und hat er nur noch die Pinkelpausen angekündigt und wann der Bus von Parkplatz wieder abfahren würde. Ich fand das schade, weil mich seine Berichte interessierten, aber ich konnte nicht mit ihm kommunizieren, weil er kein Wort Englisch sprach und ich kein Chinesisch. Das war einfach der falsche Fremdenführer für die falsche Reisegruppe. Ich fand, dass das eine richtig vertane Chance gewesen ist, von denen ich schon viele in den letzten zwei Monaten erlebt habe.
Bei 湖州市 Hú Zhōu Shì See-Land-Stadt (wir fuhren nämlich geraume Zeit in einiger Entfernung südlich am großen Binnensee 太湖 tàihú, sehr-See, entlang), bogen wir von der Autobahn ab auf die Landstraße in die Berge hinein in Richtung An Ji.
Mittagessen
Wanderung Wasserfall
Pumpspeicherkraftwerk
Hotel, Zimmer 8705
Abendessen
Gang durch Anji
Weintrinken im Cafe
Erkenntnis des Tages: Stolz auf den schweißtreibenden Erfolg stellt sich nachhaltig bei mir nur ein, wenn ich anschließen duschen und ein frisches Hemd anziehen kann.
Unsere Busfahrt begann um 8.15 Uhr für alle, die dort wohnen am Er Yi-Hotel; die anderen saßen schon bereit, so dass der Fahrer zügig auf die innerstädtische Yan’an Hochstraße in Richtung Süd-Westen einfädeln konnte. Das ist die Hochstraße, die Shanghai in Ost-West-Richtung durchschneidet und schließlich unter dem Huangpu hindurch nach Pudong geführt wird; wir fuhren allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Ich saß ganz vorne, damit ich auch während der Fahrt viel sehen konnte. Es fiel mir auf, dass der Chauffeur kein einziges Mal in der Stadt hupte; das ist verwunderlich, weil total ungewöhnlich. Diese kleine Reise war eine Einladung unserer chinesischen Kollegen vom Shanghai-Hamburg-College an alle deutschen Professoren und die deutschen Deutschlehrerinnen sowie die jeweiligen Partner. Etwa die Hälfte der Teilnehmer waren Deutsche, die andere Hälfte Chinesen.
Reiseführer
Mit der Organisation war ein örtliches Reisebüro beauftragt worden, sodass wir einen eigenen Fremdenführer während der ganzen Fahrt bei uns hatten. Leider war irgendwie versäumt worden, einen englischsprachigen Reiseführer zu bestellen, weswegen alle Informationen auf Chinesisch gegeben wurden. Mehrere unserer chinesischen Kollegen versuchten zwar zu übersetzen, aber es war schwierig, alles mitzubekommen, auch weil die Nichtprofis in Besichtigungsprogrammerklärung das Mikrofon nicht richtig halten konnten und dadurch ab zwei Reihen hinter mir allein schon akustisch nichts mehr ankam. Ich war also noch relativ gut dran. Wir erreichten am zweiten Autobahnring, das ist die A20, in Höhe des Shanghaier Zoos, die A9, auf der die Fahrt lange weiterging. Dazu mussten wir das erste Mal ein von vielen weiteren Zahlstellen passieren. Die Autobahnen in China sind gebührenpflichtig. Nach meiner Beobachtung kosten 100 km für einen Bus ungefähr 50 Yuan. Es ist das gleiche System wie in Frankreich: Unterwegs auf der Strecke sind gelegentlich Mautregistrierungs-, an anderen Stellen Mautzahlstellen, wie auch an jeder Ausfahrt eine Zahlstelle ist. Das wunderte mich, weil die Chinesen wegen ihrer enormen, und meiner Meinung nach für die Bevölkerung zu schnellen Wachstumsgeschwindigkeit sonst immer auf modernstem technischen Standard sind. Hier haben sie aber nicht das deutsche Tollcollect-System übernommen, und ich rätselte über die Gründe. Einer könnte sein, dass alle Autos mit einer teuren On-Board-Unit ausgerüstet sein müssten. Zweitens würden bestimmt viele als Mautpreller einfach nicht bezahlen, was einen immensen Kontrollaufwand zur Folge haben würde, der teurer wäre als die entgangene Maut – die Chinesen halten sich auch sonst nicht an die geltenden Verkehrsregeln, wenn sie nicht überwacht sind. Und drittens würden die Karren, Roller, Fahrräder und Fußgänger sich ganz bestimmt nicht von einem bloßen Verkehrsschild von der Benutzung der Autobahn abhalten lassen. Die Mautstellen haben in China also nicht in erster Linie die Funktion einer Geldkassiereinrichtung, sondern dienen zuvorderst zur Sicherstellung der Verkehrssicherungspflicht. An dieser Zahlstelle geschah auch eine wunderliche Wandlung bei unseren Fahrer, der plötzlich zum Lenkradkamikazepiloten wurde, wie ein Windhund, der nicht anders kann als seinem genetisch eingepflanzten Trieb zu folgen und bei Sichtkontakt mit dem künstlichen Köderhasen laufen muss, als ginge es ums Leben. Um selbiges hatten einige von uns Passagieren ernsthafte Sorgen entwickelt, denn die genetische Disposition unseres Kraftomnibuschauffeurs hielt bis zum Abschluss der Reise ohne erkennbare Verminderung durch. Seine brutal gellende Hochdruckfanfare holte er jetzt aus ihrer bisherigen Verborgenheit heraus, wie seinerzeit die Senatoren in Rom ihre Dolche, als sie dem Ruhme Caesars bei seinem letzten Akt endgültig zur Unsterblichkeit verhalfen, indem sie ihn dem Tode überantworteten. Die Konstruktion unseres Golden Dragon Busses mit seinem starren Leiterrahmen, der Längsblattfederung der Achsen und dem extrem kurzen Radstand mit sehr langem Karossenüberhang hinten und die Bauart der Autobahn mit querfugengeteiler Betonfahrbahn und mangelndem Höhenausgleich verschiedener Bauabschnitte führte zu sehr harmonischen Schwingungen, die besonders ganz weit vorne und ganz weit hinten im Bus zu spüren waren und das Fahrzeug mit gazellengleicher Eleganz durch die Landschaft hüpfen ließ. Im internationalen Vergleich lernt man die heute standardmäßige Luftfederung entsprechender Reisebusse in Deutschland nach bereits 30 km Fahrt in einem ohne richtig heftig schätzen.
Straßen in Shanghai
Unterwegs gab der Reiseführer organisatorische Informationen und versuchte uns dann, als seien wir eine der zahlreichen Reisegruppen aus einer fernen chinesischen Provinz, die endlich mal die Megametropole Shanghai zu Gesicht bekommt, Fakten und Episödchen über und aus Shanghai zu vermitteln. Für seine Shanghaier Zuhörer war das irgendwie langweilig, weil sie das meiste schon kannten und für diejenigen aus Deutschland waren seine Beispiele und Erkenntnisse am germanischen Erfahrungshorizont vorbei erzählt und kamen irgendwie nicht so an, wie er es sonst vielleicht gewohnt war. Und ein Großteil der Deutschen, der hinten im Bus saß, bekam von der Übersetzung, wie schon berichtet, sowieso akustisch nichts mit.
Zum Beispiel sagte er, dass man sich in Shanghai trotz unübersichtlicher Größe hervorragend orientieren könne, weil die Straßen in Nord-Süd-Richtung alle nach Provinzen und die in Ost-West-Richtung alle nach Städtenamen bezeichnet werden. Wenn ich also künftig Xiang Yang Lu oder Wu Lu Mu Qi Lu höre, dann erinnere ich mich einfach und sage: Jawoll, Nord-Süd-Richtung! – oder Ost-West bei Nan Dan Lu oder Ling Ling Lu! Das ist doch ein genial einfaches System, oder?
Pudong in Vergangenheit und Gegenwart
Er berichtete, von der dramatisch aufstrebenden Entwicklung von Pudong, über das der bei allen unseren Shanghaier Kollegen bekannte alte Reimvers existiert, den sie zum Beweis gleich alle mitskandierten: Ning Yao Pu Xi, Yi Zhang Chuang, Bu Yao Pu Dong, Yi Jian Fang, Lieber-wollen-Flussufer-Westen-ein-(Zählwort für Gegenstände mit flacher Oberfläche)-Bett-nicht-wollen-Flussufer-Osten-ein-(Zählwort für Räume)-Zimmer: Lieber ein Bett in Puxi als ein Zimmer in Pudong. Leider reimt sich das im Deutschen nicht, aber die alte Lebensweisheit hat sich ziemlich plötzlich ins Gegenteil verkehrt. Vielleicht wird in Hamburg bald mancher Wilhelmsburger, auf dessen Wohnort heute verächtlich herabgeschaut wird, als Trendsetter demnächst im angesagtesten Stadtteil wohnen – oder sein Sohn, vielleicht auch erst sein Enkel, hoffnungsvollerweise aber spätestens sein Urenkel – wir haben doch keine so ungesunden Entwicklungsgeschwindigkeiten wie in China!
Xujiahui
Dann erzählte er von der älteren Geschichte des weit über die Stadtgrenzen bekannten Shanghaier Stadtteils Xujiahui: Die kann zurückverfolgt werden bis in die Ming-Dynastie, als der berühmte Gelehrte Xu Guangqi, ein wichtiger Beamter des Großen Rats, an diesem Ort einen landwirtschaftlichen Lehrbetrieb errichtet hatte, um experimentelle Agrikultur durchführen zu lassen und darüber wissenschaftliche Bücher zu schreiben. Dort wurde er auch nach seinem Tod begraben. Nachfahren von ihn hatten sich stark vermehrt und waren sesshaft geblieben, sodass zunächst vom „Dorf der Xu Jia, (Xu-Familie)“ gesprochen wurde, bis sich dann nach und nach eine Stadt, die den Namen Xu Jiahui trägt, entwickelte. Hui bedeutet Zusammenfluss, weil an diesem Ort der Zhaojia-Bach und der Licong-Fluss sich vereinen. Heute sind die Wasserwege kanalisiert, verdoldet, zugeschüttet oder überbaut. Wegen der Einsilbigkeit der chinesischen Sprache und der Bedeutungseindeutigkeit der chinesischen Schrift, erhalten sich chinesische Namen über Geschichtsperioden besser als in Deutschland: Wer würde darauf kommen, dass Koblenz von lat. Confluentes (Zusammenfluss – nämlich von Mosel und Rhein) herkommt.
Provinz Zhejiang
Als wir die Provinzgrenze von Zhejiang erreichten, erläuterte er noch schnell, dass diese Provinz über 13 Städte verfügt. Dann sah er vermutlich in (aus oben beschriebenen Gründen) geistig abwesende Gesichter und schlug vor, dass man sich zur Vorbereitung auf das Mittagessen noch ein wenig ausruhen sollte. Von da ab muss er etwas frustriert gewesen sein und hat er nur noch die Pinkelpausen angekündigt und wann der Bus von Parkplatz wieder abfahren würde. Ich fand das schade, weil mich seine Berichte interessierten, aber ich konnte nicht mit ihm kommunizieren, weil er kein Wort Englisch sprach und ich kein Chinesisch. Das war einfach der falsche Fremdenführer für die falsche Reisegruppe. Ich fand, dass das eine richtig vertane Chance gewesen ist, von denen ich schon viele in den letzten zwei Monaten erlebt habe.
Bei 湖州市 Hú Zhōu Shì See-Land-Stadt (wir fuhren nämlich geraume Zeit in einiger Entfernung südlich am großen Binnensee 太湖 tàihú, sehr-See, entlang), bogen wir von der Autobahn ab auf die Landstraße in die Berge hinein in Richtung An Ji.
Mittagessen
Wanderung Wasserfall
Pumpspeicherkraftwerk
Hotel, Zimmer 8705
Abendessen
Gang durch Anji
Weintrinken im Cafe
Erkenntnis des Tages: Stolz auf den schweißtreibenden Erfolg stellt sich nachhaltig bei mir nur ein, wenn ich anschließen duschen und ein frisches Hemd anziehen kann.
Freitag, 17. Oktober 2008
Abschlussklausur
Die Klusur der Studenten: Woher kommt meine Anstrengung?
Heute war das wichtigste Ereignis meine Abschlussklausur. Der Tag begann dafür optimal: herrlicher Sonnenaufgang um 6.00 Uhr herum, mildes Wetter, nicht so heiß wie beim letzten mal vor einem Monat.
Frühzeitig war ich im extra angemieteten Klausurschreibesaal; zehn Minuten vor dem Start erinnerte ich daran, dass ein Gang zur Toilette jetzt eventuell sehr nützlich sein könnte, was ein Viertel der Studenten auch nutzte. Dann verteilte ich die Aufgaben; alle waren erschienen und ich entdeckte, dass manche bei den gleichen Textaufgaben mit der Aufgabenstellung Verständnisprobleme hatten: bei „welcher Spannungszustand herrscht im Blechquerschnitt … ?“ wurde das Verb herrschen nicht verstanden; bei „welcher werkstoffkundliche Wert kennzeichnet … ?“ konnten viele Studierende mit dem Verb kennzeichnen nichts anfangen. Da geht es nicht um Mängel in der Fachsprache, sondern bei den allgemeinen Deutschkenntnissen. Ich habe unter dem Aspekt der besonderen Berücksichtigung der deutschen Verständnisniveaus noch eine Klausurschreibeverlängerung drangehängt. Was ansonsten nicht verstanden wurde, wird die Klausurkorrektur an den Tag bringen. Diese will ich bis Dienstagabend abgeschlossen haben. Fest steht ganz klar: mit ihren gegenwärtigen Deutschkenntnissen wären die Studenten in Deutschland nicht studienreif.
Nacharbeit: mein Beitrag in echter Klausur
Die Studenten fanden die Klausur eigentlich einfach (gefragt hatte ich natürlich solche, von denen ich weiß, dass sie sich, wie immer, gut vorbereitet hatten). Ich fand die Klausur anstrengend und hätte heute gerne mein Vorhaben umgesetzt, mich mal richtig durchmassieren zu lassen, wovon ein Kollege richtig schwärmt. Allerdings hatte ich genau diesem Kollegen zugesagt, ihm mein Fahrrad unmittelbar nach der Klausur im Hotel vorbeizubringen und zu überlassen, weil er seinem Sohn und seiner Schwiegertochter das Erlebnis, mit dem Rad durch das Gewühl der Shanghaier Gässchen zu radeln, vermitteln wollte. Normalerweise bekommen Shanghai-Touristen dieses High Light nicht geboten. Den Nachmittag über steckte also nun ich in meinem Hotelzimmer in Klausur und sichtete die Ergebnisse der Studenten, legte einen Punktespiegel zurecht, verfasste eine Lösungsvariante der Klausur mit Punkteverteilung und machte davon noch Papierausdrucke spät am Abend im Büro der deutschen Professoren am Fuxing-Campus, wohin ich mit meinem inzwischen zurückerhaltenen Fahrrad im Dunklen radeln konnte. Auf ein Essen verzichtete ich heute aus therapeutischen Gründen wegen der Erfahrungen der letzten Tag und nahm nur ein wenig Obst zu mir (u. a. eine duftende, echt reife Mango, die ich wegen ihrer Saftigkeit vorsichtshalber über dem Waschbecken gegessen habe.
Das Ziel fest im Auge, aber nicht zu jedem Preis
Später klinkte ich mich noch in der Dienstbesprechung die anderen Kollegen ein, die von Ihren Erlebnissen bei der Beiratssitzung des Shanghai-Hamburg-Colleges berichteten. Alle nehmen ihre Aufgabe ernst: die Langfristprofessoren, wie ich, die ihre jüngsten Erfahrungen mit den gerade zu Ende gegangenen Vorlesungen und den Vergleich mit den Anforderungen in Deutschland einbringen wollen, und die Kurzfristprofessoren, die alte China- und Collegekenner sind, und die Bedingungen scharf halten wollen, unter denen das Shanghai-Hamburg-College in Zukunft, auch bei geänderten Randbedingungen, erfolgreich weitergeführt und in voller, realer Deckung mit seinem hohen Anspruch gehalten werden kann.
Erkenntnis des Tages: Nach dem „Ende“ der Lehrtätigkeit, ruft der Nachschlag nochmal zu konzentrierter Arbeit auf.
Heute war das wichtigste Ereignis meine Abschlussklausur. Der Tag begann dafür optimal: herrlicher Sonnenaufgang um 6.00 Uhr herum, mildes Wetter, nicht so heiß wie beim letzten mal vor einem Monat.
Die Studenten fanden die Klausur eigentlich einfach (gefragt hatte ich natürlich solche, von denen ich weiß, dass sie sich, wie immer, gut vorbereitet hatten). Ich fand die Klausur anstrengend und hätte heute gerne mein Vorhaben umgesetzt, mich mal richtig durchmassieren zu lassen, wovon ein Kollege richtig schwärmt. Allerdings hatte ich genau diesem Kollegen zugesagt, ihm mein Fahrrad unmittelbar nach der Klausur im Hotel vorbeizubringen und zu überlassen, weil er seinem Sohn und seiner Schwiegertochter das Erlebnis, mit dem Rad durch das Gewühl der Shanghaier Gässchen zu radeln, vermitteln wollte. Normalerweise bekommen Shanghai-Touristen dieses High Light nicht geboten. Den Nachmittag über steckte also nun ich in meinem Hotelzimmer in Klausur und sichtete die Ergebnisse der Studenten, legte einen Punktespiegel zurecht, verfasste eine Lösungsvariante der Klausur mit Punkteverteilung und machte davon noch Papierausdrucke spät am Abend im Büro der deutschen Professoren am Fuxing-Campus, wohin ich mit meinem inzwischen zurückerhaltenen Fahrrad im Dunklen radeln konnte. Auf ein Essen verzichtete ich heute aus therapeutischen Gründen wegen der Erfahrungen der letzten Tag und nahm nur ein wenig Obst zu mir (u. a. eine duftende, echt reife Mango, die ich wegen ihrer Saftigkeit vorsichtshalber über dem Waschbecken gegessen habe.
Das Ziel fest im Auge, aber nicht zu jedem Preis
Später klinkte ich mich noch in der Dienstbesprechung die anderen Kollegen ein, die von Ihren Erlebnissen bei der Beiratssitzung des Shanghai-Hamburg-Colleges berichteten. Alle nehmen ihre Aufgabe ernst: die Langfristprofessoren, wie ich, die ihre jüngsten Erfahrungen mit den gerade zu Ende gegangenen Vorlesungen und den Vergleich mit den Anforderungen in Deutschland einbringen wollen, und die Kurzfristprofessoren, die alte China- und Collegekenner sind, und die Bedingungen scharf halten wollen, unter denen das Shanghai-Hamburg-College in Zukunft, auch bei geänderten Randbedingungen, erfolgreich weitergeführt und in voller, realer Deckung mit seinem hohen Anspruch gehalten werden kann.
Erkenntnis des Tages: Nach dem „Ende“ der Lehrtätigkeit, ruft der Nachschlag nochmal zu konzentrierter Arbeit auf.
Donnerstag, 16. Oktober 2008
unerwartet ausgeschaltet
Keine Besserung
Dass mein Darmkatarrh mich genau an dem Tag erwischt hat, an dem ich wegen abgeschlossener Vorlesungstätigkeit frei hatte, muss ich, wenn ich meine privaten Interessen mal hinten an stelle, als günstige Fügung betrachten, denn so entgeht den Studenten nichts. Natürlich hat es mich gejuckt, bei dem schönen Wetter draußen loszuziehen und als ich mich um 13.00 Uhr gerade dazu entschlossen hatte, mich aufs Fahrrad zu schwingen meldete sich mein Virus oder Bazillus in unverschämter Weise ganz plötzlich, so dass ich richtig froh war, mich nur fünfeinhalb Schritte von der Schüssel entfernt aufgehalten zu haben. So ein krankheitsbedingter Dämpfer gehört wohl zum Lehrauftrag hier dazu, denn ich war der Letzte unter uns vier deutschen Kollegen, der dran war. Ich kann dem sogar etwas Gutes abgewinnen, denn dies ist ein radikaler Beitrag zu meinem Ziel, meinen Bodymassindex zu senken. Inzwischen ist aber alle Gefahr gebannt, denn nun ist nichts mehr drin. Auch das war ein Wink des Schicksals, denn so konnte ich mich am Nachmittag darauf konzentrieren, meinen Beitrag eines Fotoalbums über Hamburg, die HAW, die Chinesen in Hamburg, die deutsche Küche und andere Besonderheiten in Deutschland und Hamburg, den ich beim Abschiedsabend der Elektrotechnikstudenten zu halten mich bereit erklärt hatte, ordentlich aufzuarbeiten.
E-Tech-Abschiedsfest
Das ist zwar kein komplizierter Vorgang, denn fehlende eigene Motive kann ich leicht aus dem Internet nachladen, aber eine Fleißarbeit ist es allemal. Ich wartete darauf, dass mein Kollege mir, wie verabredet einen Hinweis gibt, wann es wohin losgeht, aber der war zum Essen verschwunden und ich konnte ihn telefonisch nicht erreichen, weil gerade heute mein Prepaid-Kontingent der Telefonkarte ohne Vorwarnung aufgebraucht war und ich mir erst ein Guthaben nachkaufen musste.
Leider kam ich deshalb nicht pünktlich zum Beginn an. Start war um 19.00 Uhr, es wurde ein netter Werbefilm über die HAW in Hamburg gezeigt, es wurde musiziert (das muss man den Elektrotechnik-Professoren neidlos lassen: da haben sie einen Vorsprung gegenüber den Maschinenbauern), es wurden chinesische und deutsche Lieder gesungen, es wurde ein Partyspiel gemacht (Luftballons zertreten: jeder bindet sich einen aufgeblasenen Luftballon an den Fuß und muss versuchen, die Ballons aller anderen zu zertreten, ohne dass die eigenen zerstört werden). Schließlich wurde zu einem Gruppenfoto aufgerufen – und danach, bereits um 20.15 Uhr, war alles zu Ende.
Zwar wurden die Abgängigen zurückgerufen, damit noch ein gemeinsames Lied gesungen und Dankesworte gesprochen werden konnten, aber die Luft war raus. Ich hatte sogar den Eindruck, dass meine Bildersammlung gar nicht erwünscht war und fühlte mich auf diesem Abend der Elektrotechniker etwas deplatziert.
Keine Feier
Meine Maschinenbaustudenten wollten verständlicherweise heute keinen gemeinsamen Abschlussabend mit den Elektrotechnikern feiern, weil morgen die Abschlussklausur geschrieben wird, die Elektrotechniker wollten ihren Abend nicht schieben, weil einer der Professoren aus wichtigem familiären Grund so schnell wie möglich am Sonntag zurück nach Hause fliegt. Deswegen werden wir am Mittwoch einen eigenen Abschlussabend veranstalten. Ich habe mich richtig gefreut, meine Studenten im Vorlesungssaal zu sehen, wie sie noch fleißig gebüffelt haben. Leider waren es wieder nur die herausragenden Kandidaten, die dort saßen und nicht alle.
Abschiedsstimmung
Auf dem Rückweg alleine (die anderen sind im den Jazz-Club gefahren, ich wollte fit sein für die Klausur morgen) in lauschiger Nacht sah ich den abnehmenden Mond klar am Himmel stehen. Gestern war Vollmond, es ist also schon einen Monat her seit dem wichtigen Mondfest. Ich empfand das als Zeichen des Abschieds und stelle fest, dass meine Zeit emotional eigentlich jetzt abgelaufen ist, selbstverständlich zuzüglich der Tage, die ich für die Klausurkorrekturen noch benötigen werde. Aber mein Rückflug ist erst für den 30. Oktober terminiert, was die Chinaexperten der HAW mir in Deutschland empfohlen hatten. Ich bin etwas schwach auf meinen ersten Chinaaufenthalt vorbereitet gewesen; ich wusste nicht genau, welche Termine gelten, denn ich bin mit meinem deutschen Wesen und nicht mit chinesischen Umgangsformen daran gegangen.
Termintreue
Chinesen erstaunt es in Deutschland immer wieder, dass man sich über Wochen auf einen bestimmten Temin festlegt und den dann auch wirklich einhält, ohne ihn kurz vorher noch einmal bestätigt zu haben. Chinesen bleiben gern flexibel, legen sich nur ungern fest und springen selbst bei vorheriger Zusage noch schnell mal ab, wenn ihnen etwas anderes plötzlich wichtiger erscheint. Oder sie bringen noch jemenden mit, von dem man nichts wusste und der auch nicht eingeladen war. Es ist ratsam, vorher noch einmal nachzuhaken, was nun eigentlich Sache ist und ob alles so wie vereinbart bleibt. Genau das habe ich bei der Abstimmung der Termine für meine Vorlesung erlebt. Erst einen Tag vorher hatte ich die Regelung erfahren, dass die wegen der kompletten „Golden Week“ anlässlich des Nationalfeiertags ausfallenden zwei Lehrtage am Wochenende vorgeholt werden (ich glaube das haben nur die deutschen Professoren gemacht; der chinesische Unterricht ist einfach ausgefallen). Hätte ich an dem Wochenende etwas vor- oder gar gebucht gehabt, hätte ich dumm dagestanden (aber nur weil ich deutsch denke; für Chinesen hätte es auch da wieder eine improvisierte Lösung gegeben).
Weitere Pläne
Am kommenden Wochenende wollte ich ursprünglich auf das Formel 1-Rennen auf dem Shanghai International Circuit im Jiading District gehen (die anspruchsvolle Rennstrecke wurde von einem deutschen Architekten in Form des chinesischen Schriftzeichens 上 shàng gebaut, das "über, hoch, oben, hinauf, vorwärts“ bedeutet und das die erste Silbe im Namen der Stadt Shang-Hai nachbildet), und der chinesische Kümmerer für alle Planungen am Shanghai-Hamburg-College hatte mir gesagt, dass er mir beim besorgen der Karten behilflich sein würde. Genau derselbe Planer hat aber inzwischen, ohne eine Absprache mit irgendeinem von uns Deutschen, die gemeinsame Exkursion der deutschen und chinesischen Professoren auf dieses Wochenende gelegt. Die Sache an sich ist erfreulich und aus irgendjemandes Sicht bestimmt auch durchdacht und optimiert; an diese volkstypische Kommunikationsunklarheit würde ich mich auch auf Dauer nur schwer gewöhnen können. Inzwischen weiß ich, dass ich durchaus eine Woche früher (und wenn ich meine Vorlesungen gestaucht hätte, sogar noch früher; das halte ich aber grundsätzlich für suboptimal) als geplant hätte zurückreisen können. Das werde ich jetzt aber nicht tun. Stattdessen plane ich, für zwei Tage in das mit der Bahn anderthalb Stunden entfernt liegende Hangzhou zu reisen und für drei oder vier Tage mit dem Flugzeug nach Xi‘an, um mir dort die Tonkriegerarmee des Ying Zheng alias Qin Shi Huang Di im Original anzuschauen.
Aber jetzt ist erst mal die Abschlussklausur und ihre Korrektur dran.
Erkenntnis des Tages: Es gibt Sachen, die hier selbstverständlich sind und die ich ganz sicher vermissen werde und andere, die möchte ich lieber heute als Morgen zurücklassen.
Dass mein Darmkatarrh mich genau an dem Tag erwischt hat, an dem ich wegen abgeschlossener Vorlesungstätigkeit frei hatte, muss ich, wenn ich meine privaten Interessen mal hinten an stelle, als günstige Fügung betrachten, denn so entgeht den Studenten nichts. Natürlich hat es mich gejuckt, bei dem schönen Wetter draußen loszuziehen und als ich mich um 13.00 Uhr gerade dazu entschlossen hatte, mich aufs Fahrrad zu schwingen meldete sich mein Virus oder Bazillus in unverschämter Weise ganz plötzlich, so dass ich richtig froh war, mich nur fünfeinhalb Schritte von der Schüssel entfernt aufgehalten zu haben. So ein krankheitsbedingter Dämpfer gehört wohl zum Lehrauftrag hier dazu, denn ich war der Letzte unter uns vier deutschen Kollegen, der dran war. Ich kann dem sogar etwas Gutes abgewinnen, denn dies ist ein radikaler Beitrag zu meinem Ziel, meinen Bodymassindex zu senken. Inzwischen ist aber alle Gefahr gebannt, denn nun ist nichts mehr drin. Auch das war ein Wink des Schicksals, denn so konnte ich mich am Nachmittag darauf konzentrieren, meinen Beitrag eines Fotoalbums über Hamburg, die HAW, die Chinesen in Hamburg, die deutsche Küche und andere Besonderheiten in Deutschland und Hamburg, den ich beim Abschiedsabend der Elektrotechnikstudenten zu halten mich bereit erklärt hatte, ordentlich aufzuarbeiten.
E-Tech-Abschiedsfest
Das ist zwar kein komplizierter Vorgang, denn fehlende eigene Motive kann ich leicht aus dem Internet nachladen, aber eine Fleißarbeit ist es allemal. Ich wartete darauf, dass mein Kollege mir, wie verabredet einen Hinweis gibt, wann es wohin losgeht, aber der war zum Essen verschwunden und ich konnte ihn telefonisch nicht erreichen, weil gerade heute mein Prepaid-Kontingent der Telefonkarte ohne Vorwarnung aufgebraucht war und ich mir erst ein Guthaben nachkaufen musste.
Keine Feier
Meine Maschinenbaustudenten wollten verständlicherweise heute keinen gemeinsamen Abschlussabend mit den Elektrotechnikern feiern, weil morgen die Abschlussklausur geschrieben wird, die Elektrotechniker wollten ihren Abend nicht schieben, weil einer der Professoren aus wichtigem familiären Grund so schnell wie möglich am Sonntag zurück nach Hause fliegt. Deswegen werden wir am Mittwoch einen eigenen Abschlussabend veranstalten. Ich habe mich richtig gefreut, meine Studenten im Vorlesungssaal zu sehen, wie sie noch fleißig gebüffelt haben. Leider waren es wieder nur die herausragenden Kandidaten, die dort saßen und nicht alle.
Abschiedsstimmung
Auf dem Rückweg alleine (die anderen sind im den Jazz-Club gefahren, ich wollte fit sein für die Klausur morgen) in lauschiger Nacht sah ich den abnehmenden Mond klar am Himmel stehen. Gestern war Vollmond, es ist also schon einen Monat her seit dem wichtigen Mondfest. Ich empfand das als Zeichen des Abschieds und stelle fest, dass meine Zeit emotional eigentlich jetzt abgelaufen ist, selbstverständlich zuzüglich der Tage, die ich für die Klausurkorrekturen noch benötigen werde. Aber mein Rückflug ist erst für den 30. Oktober terminiert, was die Chinaexperten der HAW mir in Deutschland empfohlen hatten. Ich bin etwas schwach auf meinen ersten Chinaaufenthalt vorbereitet gewesen; ich wusste nicht genau, welche Termine gelten, denn ich bin mit meinem deutschen Wesen und nicht mit chinesischen Umgangsformen daran gegangen.
Termintreue
Chinesen erstaunt es in Deutschland immer wieder, dass man sich über Wochen auf einen bestimmten Temin festlegt und den dann auch wirklich einhält, ohne ihn kurz vorher noch einmal bestätigt zu haben. Chinesen bleiben gern flexibel, legen sich nur ungern fest und springen selbst bei vorheriger Zusage noch schnell mal ab, wenn ihnen etwas anderes plötzlich wichtiger erscheint. Oder sie bringen noch jemenden mit, von dem man nichts wusste und der auch nicht eingeladen war. Es ist ratsam, vorher noch einmal nachzuhaken, was nun eigentlich Sache ist und ob alles so wie vereinbart bleibt. Genau das habe ich bei der Abstimmung der Termine für meine Vorlesung erlebt. Erst einen Tag vorher hatte ich die Regelung erfahren, dass die wegen der kompletten „Golden Week“ anlässlich des Nationalfeiertags ausfallenden zwei Lehrtage am Wochenende vorgeholt werden (ich glaube das haben nur die deutschen Professoren gemacht; der chinesische Unterricht ist einfach ausgefallen). Hätte ich an dem Wochenende etwas vor- oder gar gebucht gehabt, hätte ich dumm dagestanden (aber nur weil ich deutsch denke; für Chinesen hätte es auch da wieder eine improvisierte Lösung gegeben).
Weitere Pläne
Am kommenden Wochenende wollte ich ursprünglich auf das Formel 1-Rennen auf dem Shanghai International Circuit im Jiading District gehen (die anspruchsvolle Rennstrecke wurde von einem deutschen Architekten in Form des chinesischen Schriftzeichens 上 shàng gebaut, das "über, hoch, oben, hinauf, vorwärts“ bedeutet und das die erste Silbe im Namen der Stadt Shang-Hai nachbildet), und der chinesische Kümmerer für alle Planungen am Shanghai-Hamburg-College hatte mir gesagt, dass er mir beim besorgen der Karten behilflich sein würde. Genau derselbe Planer hat aber inzwischen, ohne eine Absprache mit irgendeinem von uns Deutschen, die gemeinsame Exkursion der deutschen und chinesischen Professoren auf dieses Wochenende gelegt. Die Sache an sich ist erfreulich und aus irgendjemandes Sicht bestimmt auch durchdacht und optimiert; an diese volkstypische Kommunikationsunklarheit würde ich mich auch auf Dauer nur schwer gewöhnen können. Inzwischen weiß ich, dass ich durchaus eine Woche früher (und wenn ich meine Vorlesungen gestaucht hätte, sogar noch früher; das halte ich aber grundsätzlich für suboptimal) als geplant hätte zurückreisen können. Das werde ich jetzt aber nicht tun. Stattdessen plane ich, für zwei Tage in das mit der Bahn anderthalb Stunden entfernt liegende Hangzhou zu reisen und für drei oder vier Tage mit dem Flugzeug nach Xi‘an, um mir dort die Tonkriegerarmee des Ying Zheng alias Qin Shi Huang Di im Original anzuschauen.
Aber jetzt ist erst mal die Abschlussklausur und ihre Korrektur dran.
Erkenntnis des Tages: Es gibt Sachen, die hier selbstverständlich sind und die ich ganz sicher vermissen werde und andere, die möchte ich lieber heute als Morgen zurücklassen.
Mittwoch, 15. Oktober 2008
Viel gegessen, wenig behalten
Vorlesungsende
So, heute habe ich nach einem Marathon in den letzten Tagen meine Vorlesungen abgeschlossen. Ich hatte mehr Stunden als vorgesehen zur Verfügung, sodass ich mehr Übungsaufgaben mit den Studenten rechnen konnte, als ich das in Deutschland mit den Studierenden tue, aber morgen sollen sie vorlesungsfrei haben, damit sie nicht noch am letzten Tag vor der Klausur neuen Stoff lernen müssen, sondern sich ganz auf ihre individuelle Vorbereitung konzentrieren können. Einige sind kräftig dabei, denn nach den Vorlesungen der letzten Tage haben immer mehrere mich zu einzelnen Themen befragt, und ich hatte sozusagen gleich im Vorlesungssaal meine ausgedehnte Sprechstunde. Dabei ist mir aufgefallen, dass wegen der fehlenden Laborerfahrungen, manche sinnlich erfahrbaren Erkenntnisse nicht gemacht wurden und die rein theoretische Unterrichtung kein adäquater Ersatz ist. So wurden beispielsweise im zentralen Trainingszentrum Stanzautomaten vorgeführt, aber ohne Blech, so dass man weder den Schnittschlag hören noch die geschnittene Blechkante sehen konnte. Das passt einfach nicht zu meinem Unterricht, in dem ich behaupte, dass man die Kennlinie der Schneidkraft über dem Stempelweg im Hören des Schnittschlags nachvollziehen oder die Entstehung von Einzug, Scher- und Bruchzone an der Blechkante nachvollziehen kann. Nach meiner Erfahrung ist es nicht relevant, ob man zuerst die praktischen Erfahrungen sinnlich wahrnehmbar gemacht hat und dann den die Zusammenhänge theoretischen gelehrt bekommt, oder ob man zuerst den „theoretischen Überbau“ lernt und dann in der Praxis die Wirklichkeit nacherlebt: Beides gehört aber auf jeden Fall zusammen. Die Direktorin des Bereichs Maschinenbau hat mich vor ein paar Tagen abends aufgesucht und erklärt, dass sie im November noch einmal mit den Studenten in das zentrale Trainingszentrum fahren wird, um Mängel nachträglich auszugleichen. Toll, dachte ich, es geht also vielleicht doch! Aber da bin ich schon wieder weg und sie wusste schon im Voraus worauf es bei mir ankommt, denn sie war im vergangenen Herbst in Hamburg gewesen und hat bei meinen Laborübungen hospitiert. Ihre diesbezügliche plötzliche Betriebsamkeit hängt ganz sicher mit den Gesprächen und Verhandlungen zusammen, die meine neu angekommenen Kollegen mit ihren chinesischen Kollegen führen und die zwar höflich und gesichtswahrend, aber doch heftig geführt werden. Immerhin müssen chinesische und deutsche vitale Interessen und unverrückbare Maßstäbe in einem gemeinsamen Curriculum verankert werden und schließlich müssen der schriftlich fixierte Anspruch und die später gelebte Wirklichkeit auch noch übereinstimmen. Dass der berühmte chinesische Pragmatismus, mit dem das Reich der Mitte so sehr erfolgreich ist, sich gerade die Abweichung von Anspruch und Wirklichkeit zu Nutze macht, seht der Verbindlichkeit und Glaubwürdigkeit von Absprachen manchmal ganz schön hinderlich im Wege. Aber noch wird heftig verhandelt und die Kollegen sind abends oft ganz schön geschafft.
Lunch mit Studenten
Mir ging es heute auch so, aber aus ganz anderem Grund. In der Mittagspause war ich mit Studenten zum Essen in einer der zahlreich um den Campus herum vorhandenen Nudelsuppenküchen. Nach Nahrungsaufnahme war mir eigentlich nicht, aber gemeinsam Essen hat immer auch eine soziale Komponente und ich wollte nicht als desinteressierter Sonderling gelten. Von den Studenten bekam ich, als ich die Wochenendplanung erzählte, schon mal Hintergrundinformationen zu dem Ort, wohin die deutschen und chinesischen Professoren am Samstag früh abreisen werden, um miteinander gemeinsam das Wochenende zu verbringen. Dort werden u. a. auch Kinofilme gedreht, die in China sehr berühmt sind und von denen es einer bis zu Oskarauszeichnungen geschafft hat. Auf dem Rückweg zum Campus haben wir dann in einem DVD-Shop nach dem Machwerk geschaut und nun muss ich mir irgendwann das Ding reinziehen – vielleicht erst in Deutschland wieder.
Dinner mit Kollegen
Am Abend wurde ich von den neu angekommenen, alt shanghaierfahrenen Kollegen gefragt, ob ich nicht mit in ein Lokal gehen wolle, dass sie „Die kleine Engländerin“ nennen. Schon wieder essen, wo ich mir doch eine Kalorienreduktion vorgenommen hatte? Nach Nahrungsaufnahme war mir eigentlich nicht, aber gemeinsam Essen hat immer auch eine soziale Komponente und ich wollte nicht als desinteressierter Sonderling gelten. Ich bin also mit ins Grape Restaurant in der Xin Le Lu gegangen, dass richtig nett chinesisch eingerichtet ist, über freundliches und zum Teil englisch sprechendes Personal verfügt, wovon zwei junge Mädchen ausgesprochen hübsch und attraktiv anzuschauen sind. Die eine ist also die kleine Engländerin. Die Bestellung war recht gigantisch, das Essen sehr gut und reichlich (in Shanghai ist es in allen Restaurants üblich, dass Gäste, die ihr Essen nicht aufgegessen bekommen, sich ein „Doggiebag“ bestellen, worauf die Restaurants, von der größeren Imbissbude bis zum Edelschuppen, auch eingerichtet sind. Styropor-Behälter, zum Teil mit den Logos der Restaurants bedruckt, gibt es ohne Aufschlag dazu) und das Lokal war auf Westler eingestellt, was man auch an der größeren Zahl von Langnasen an den Tischen ablesen konnte: auf Verlangen haben wir unsere Pekingente (eine von neun Speisen für fünf Personen; sonst rechnet an immer eine Speise pro Person plus eins) knochenfrei tranchiert bekommen, was bei Chinesen nicht beliebt ist. Da wird einfach quer durch den Vogel gehackt, damit sie möglichst viele kleine Knochenstücke zum Abnagen haben. Mit 100 Yuan pro Nase war das mein bislang teuerstes Abendessen, von der Mahlzeit im Jin Mao-Wolkenkratzer mal abgesehen, wo wir die Aussicht vom 86. Stockwerk mitbezahlen mussten.
Nachwirkungen ganz alleine
Leider erwischte mich, kaum im Hotel angekommen, eine Diarrhö, die mich die ganze Nacht begleitete und mein Schlafpolster der vergangenen Nacht wieder aufbrauchte. Ich war schon wieder nicht zu gebrauchen für das abendliche, Dienstbesprechung genannte, Zusammentreffen der Kollegen in einem der Hotelzimmer. Dabei erfahre ich dort interessantes und durchaus auch blogwürdiges. Zum Beispiel weiß ich jetzt, warum das Sino-Britisch-College trotz der enormen (auch für chinesische Verhältnisse unverschämt hohen) Kosten so beliebt, erfolgreich und im Wachsen begriffen ist. Dorthin melden sich diejenigen an, die die landesweite, zentrale Universitätsaufnahmeprüfung endgültig nicht bestanden und damit keine Chance haben, jemals an irgendeiner chinesischen Universität zu studieren. Diese Schulabsolventen werden, voll in englischer Sprache, auf ein Studium in Großbritannien oder den USA vorbereitet. Eine Aufnahmevoraussetzung gilt natürlich für alle: sie müssen wohlhabende Eltern haben, die sich das leisten können und wollen. Dass die USST sich diese Gelddruckmaschine nicht entgehen lässt, kann ich nachvollziehen.
Deswegen ist genügend Geld für die Verschönerung des Areals und de Gebäude vorhanden; gerade wurden repräsentative Portiken an normale Eingangstüren nachmodelliert und Ziegelsteinimitationen nachgepinselt. Vielleicht wollen sie auch wegen des Rufs und nicht nur wegen des Raumbedarfs des expandierenden Colleges alle richtigen universitären Studiengänge am Jun Gong-Campus, dass ja auch dramatisch erweitert wird, konzentrieren. Für mich chinaerfahrungssammelnden und nur befristet anwesenden Gastprofessor ist die Aussicht natürlich traurig, entweder nicht mehr im Stadtzentrum wohnen zu können oder täglich eine mindestens einstündige Hin- und ebenso lange Rückfahrt zukünftig auf mich nehmen zu müssen, die entweder als Taxifahrt teuer ist oder mit dem Shuttlebus (wird es den dann noch geben?) zu unattraktiven Zeiten stattfindet. Hier wird auch noch eine pragmatische Lösung zu verhandeln sein.
Erkenntnis des Tages: Was ich mich nicht traue, selber abzusagen, erledigt mein Körper für mich – ungefragt.
So, heute habe ich nach einem Marathon in den letzten Tagen meine Vorlesungen abgeschlossen. Ich hatte mehr Stunden als vorgesehen zur Verfügung, sodass ich mehr Übungsaufgaben mit den Studenten rechnen konnte, als ich das in Deutschland mit den Studierenden tue, aber morgen sollen sie vorlesungsfrei haben, damit sie nicht noch am letzten Tag vor der Klausur neuen Stoff lernen müssen, sondern sich ganz auf ihre individuelle Vorbereitung konzentrieren können. Einige sind kräftig dabei, denn nach den Vorlesungen der letzten Tage haben immer mehrere mich zu einzelnen Themen befragt, und ich hatte sozusagen gleich im Vorlesungssaal meine ausgedehnte Sprechstunde. Dabei ist mir aufgefallen, dass wegen der fehlenden Laborerfahrungen, manche sinnlich erfahrbaren Erkenntnisse nicht gemacht wurden und die rein theoretische Unterrichtung kein adäquater Ersatz ist. So wurden beispielsweise im zentralen Trainingszentrum Stanzautomaten vorgeführt, aber ohne Blech, so dass man weder den Schnittschlag hören noch die geschnittene Blechkante sehen konnte. Das passt einfach nicht zu meinem Unterricht, in dem ich behaupte, dass man die Kennlinie der Schneidkraft über dem Stempelweg im Hören des Schnittschlags nachvollziehen oder die Entstehung von Einzug, Scher- und Bruchzone an der Blechkante nachvollziehen kann. Nach meiner Erfahrung ist es nicht relevant, ob man zuerst die praktischen Erfahrungen sinnlich wahrnehmbar gemacht hat und dann den die Zusammenhänge theoretischen gelehrt bekommt, oder ob man zuerst den „theoretischen Überbau“ lernt und dann in der Praxis die Wirklichkeit nacherlebt: Beides gehört aber auf jeden Fall zusammen. Die Direktorin des Bereichs Maschinenbau hat mich vor ein paar Tagen abends aufgesucht und erklärt, dass sie im November noch einmal mit den Studenten in das zentrale Trainingszentrum fahren wird, um Mängel nachträglich auszugleichen. Toll, dachte ich, es geht also vielleicht doch! Aber da bin ich schon wieder weg und sie wusste schon im Voraus worauf es bei mir ankommt, denn sie war im vergangenen Herbst in Hamburg gewesen und hat bei meinen Laborübungen hospitiert. Ihre diesbezügliche plötzliche Betriebsamkeit hängt ganz sicher mit den Gesprächen und Verhandlungen zusammen, die meine neu angekommenen Kollegen mit ihren chinesischen Kollegen führen und die zwar höflich und gesichtswahrend, aber doch heftig geführt werden. Immerhin müssen chinesische und deutsche vitale Interessen und unverrückbare Maßstäbe in einem gemeinsamen Curriculum verankert werden und schließlich müssen der schriftlich fixierte Anspruch und die später gelebte Wirklichkeit auch noch übereinstimmen. Dass der berühmte chinesische Pragmatismus, mit dem das Reich der Mitte so sehr erfolgreich ist, sich gerade die Abweichung von Anspruch und Wirklichkeit zu Nutze macht, seht der Verbindlichkeit und Glaubwürdigkeit von Absprachen manchmal ganz schön hinderlich im Wege. Aber noch wird heftig verhandelt und die Kollegen sind abends oft ganz schön geschafft.
Lunch mit Studenten
Mir ging es heute auch so, aber aus ganz anderem Grund. In der Mittagspause war ich mit Studenten zum Essen in einer der zahlreich um den Campus herum vorhandenen Nudelsuppenküchen. Nach Nahrungsaufnahme war mir eigentlich nicht, aber gemeinsam Essen hat immer auch eine soziale Komponente und ich wollte nicht als desinteressierter Sonderling gelten. Von den Studenten bekam ich, als ich die Wochenendplanung erzählte, schon mal Hintergrundinformationen zu dem Ort, wohin die deutschen und chinesischen Professoren am Samstag früh abreisen werden, um miteinander gemeinsam das Wochenende zu verbringen. Dort werden u. a. auch Kinofilme gedreht, die in China sehr berühmt sind und von denen es einer bis zu Oskarauszeichnungen geschafft hat. Auf dem Rückweg zum Campus haben wir dann in einem DVD-Shop nach dem Machwerk geschaut und nun muss ich mir irgendwann das Ding reinziehen – vielleicht erst in Deutschland wieder.
Am Abend wurde ich von den neu angekommenen, alt shanghaierfahrenen Kollegen gefragt, ob ich nicht mit in ein Lokal gehen wolle, dass sie „Die kleine Engländerin“ nennen. Schon wieder essen, wo ich mir doch eine Kalorienreduktion vorgenommen hatte? Nach Nahrungsaufnahme war mir eigentlich nicht, aber gemeinsam Essen hat immer auch eine soziale Komponente und ich wollte nicht als desinteressierter Sonderling gelten. Ich bin also mit ins Grape Restaurant in der Xin Le Lu gegangen, dass richtig nett chinesisch eingerichtet ist, über freundliches und zum Teil englisch sprechendes Personal verfügt, wovon zwei junge Mädchen ausgesprochen hübsch und attraktiv anzuschauen sind. Die eine ist also die kleine Engländerin. Die Bestellung war recht gigantisch, das Essen sehr gut und reichlich (in Shanghai ist es in allen Restaurants üblich, dass Gäste, die ihr Essen nicht aufgegessen bekommen, sich ein „Doggiebag“ bestellen, worauf die Restaurants, von der größeren Imbissbude bis zum Edelschuppen, auch eingerichtet sind. Styropor-Behälter, zum Teil mit den Logos der Restaurants bedruckt, gibt es ohne Aufschlag dazu) und das Lokal war auf Westler eingestellt, was man auch an der größeren Zahl von Langnasen an den Tischen ablesen konnte: auf Verlangen haben wir unsere Pekingente (eine von neun Speisen für fünf Personen; sonst rechnet an immer eine Speise pro Person plus eins) knochenfrei tranchiert bekommen, was bei Chinesen nicht beliebt ist. Da wird einfach quer durch den Vogel gehackt, damit sie möglichst viele kleine Knochenstücke zum Abnagen haben. Mit 100 Yuan pro Nase war das mein bislang teuerstes Abendessen, von der Mahlzeit im Jin Mao-Wolkenkratzer mal abgesehen, wo wir die Aussicht vom 86. Stockwerk mitbezahlen mussten.
Nachwirkungen ganz alleine
Leider erwischte mich, kaum im Hotel angekommen, eine Diarrhö, die mich die ganze Nacht begleitete und mein Schlafpolster der vergangenen Nacht wieder aufbrauchte. Ich war schon wieder nicht zu gebrauchen für das abendliche, Dienstbesprechung genannte, Zusammentreffen der Kollegen in einem der Hotelzimmer. Dabei erfahre ich dort interessantes und durchaus auch blogwürdiges. Zum Beispiel weiß ich jetzt, warum das Sino-Britisch-College trotz der enormen (auch für chinesische Verhältnisse unverschämt hohen) Kosten so beliebt, erfolgreich und im Wachsen begriffen ist. Dorthin melden sich diejenigen an, die die landesweite, zentrale Universitätsaufnahmeprüfung endgültig nicht bestanden und damit keine Chance haben, jemals an irgendeiner chinesischen Universität zu studieren. Diese Schulabsolventen werden, voll in englischer Sprache, auf ein Studium in Großbritannien oder den USA vorbereitet. Eine Aufnahmevoraussetzung gilt natürlich für alle: sie müssen wohlhabende Eltern haben, die sich das leisten können und wollen. Dass die USST sich diese Gelddruckmaschine nicht entgehen lässt, kann ich nachvollziehen.
Erkenntnis des Tages: Was ich mich nicht traue, selber abzusagen, erledigt mein Körper für mich – ungefragt.
Dienstag, 14. Oktober 2008
ausgepowered
Volles Programm
Heute hatte ich einen sehr vollen Tag, weil ich das Dreifache an Vorlesungen und Übungen an der „Tafel“ gemacht habe wie sonst an einem Dienstag. Bis zum Eintritt der Dunkelheit, das ist inzwischen um 17.30 Uhr habe ich die Abschlussklausur zusammengestellt und mich dann mit ziemlich vielen meiner Kollegen zum Abendessen im „Wartesaal“ verabredet.
Big Meal
Zweien von den Neuen war die einfache, sprich primitive, Ausstattung des Lokals nicht geheuer, aber wir haben dennoch, von allen unbestritten, schmackhaft gegessen. Weil wir so viele waren, gab es eine ersprießliche Auswahl.
(Darm-)Flora …
Zurück im Hotel hatte ich ein Grummeln im Leib und legte mich mit Schüttelfrost um 20.30 Uhr, ins Bett, nur um kurz mal auszuruhen. Mitten in der Nacht wachte ich im hell erleuchteten Zimmer auf und wusste, erstmals seit meiner Ankunft in Shanghai, nicht sofort, wo ich war. Ich habe dann bis zum nächsten Morgen durchgeschlafen und mir war klar, dass irgendwas nicht ganz in Ordnung war.
… und Fauna (der Stadt)
Seit Beginn des Monats Oktober treten vermehrt Stechmücken auf, die ich ziemlich lästig finde, weil ich nachts wegen der Temperaturen im kurzen Schlafanzug ohne Decke schlafe. Im letzten Monat waren mir mitten im Stadtverkehr große Libellen und große Schmetterlinge aufgefallen, außerdem machen nachts Zikaden einen Riesenlärm als echte Konkurrenz mit dem des Straßenverkehrs, denn unbarmherzig gehupt wird zu allen Tages- und Nachtzeiten. Bei den Vögeln habe ich bisher nur Spatzen in der Stadt gesehen, keine Amseln, keine Meisen, keine Singvögel oder ähnliches. In letzter Zeit ziehen große Schwärme von Zugvögeln in großer Höhe über die Stadt hinweg. Es wird Herbst. Das kann ich auch an der früher einsetzenden Dunkelheit und den vermehrt fallenden Blättern der Platanen erkennen. Ersteres fällt mir aber nicht stark auf, weil die für mich dazugehörige Abkühlung der Tages- und Nachttemperaturen fehlt; gefühlt sind die dunklen Abende wie lauschige Sommerabende in Hamburg, wenn auch zur falschen Uhrzeit. Zweiteres sehe ich nur bei scharfer Beobachtung, weil alle herabgefallenen Blätter sofort weggekehrt werden.
Jahreszeiten
Erst nach 22.00 Uhr hören die Bataillone der Straßenkehrer mit ihrer Arbeit auf. Wenn ich dann, was selten vorkommt, unterwegs bin, fallen mir nicht nur die vielen braunen Blätter auf dem Boden auf, sondern die sofort, wie aus dem Nichts, heraufkommenden Massen an Müll auf der Straße auf. Die Straßenbäume, in der ehemaligen französischen Konzession sind das fast ausschließlich Platanen, auf Chinesisch „französische Bäume“ genannt, haben noch genügend grüne Blätter, um nicht als „kahlwerdend“ erkannt zu werden. Erst Mitte November, wenn die Kälte kommt (in Shanghai gibt es im Winter Temperaturen um den Gefrierpunkt und gelegentlich mal Schnee und trotzdem keine Heizungen in den Häusern) soll man den Herbst so richtig merken. Doch dann werde ich schon wieder weg sein; ich bin richtig froh darum, genau in der schönsten Jahreszeit Shanghais hier eingesetzt zu sein.
Erkenntnis des Tages: So mal richtig kaputt ins Bett zu fallen kann für mich auch mal ganz schön erholend sein.
Heute hatte ich einen sehr vollen Tag, weil ich das Dreifache an Vorlesungen und Übungen an der „Tafel“ gemacht habe wie sonst an einem Dienstag. Bis zum Eintritt der Dunkelheit, das ist inzwischen um 17.30 Uhr habe ich die Abschlussklausur zusammengestellt und mich dann mit ziemlich vielen meiner Kollegen zum Abendessen im „Wartesaal“ verabredet.
Big Meal
Zweien von den Neuen war die einfache, sprich primitive, Ausstattung des Lokals nicht geheuer, aber wir haben dennoch, von allen unbestritten, schmackhaft gegessen. Weil wir so viele waren, gab es eine ersprießliche Auswahl.
Zurück im Hotel hatte ich ein Grummeln im Leib und legte mich mit Schüttelfrost um 20.30 Uhr, ins Bett, nur um kurz mal auszuruhen. Mitten in der Nacht wachte ich im hell erleuchteten Zimmer auf und wusste, erstmals seit meiner Ankunft in Shanghai, nicht sofort, wo ich war. Ich habe dann bis zum nächsten Morgen durchgeschlafen und mir war klar, dass irgendwas nicht ganz in Ordnung war.
… und Fauna (der Stadt)
Seit Beginn des Monats Oktober treten vermehrt Stechmücken auf, die ich ziemlich lästig finde, weil ich nachts wegen der Temperaturen im kurzen Schlafanzug ohne Decke schlafe. Im letzten Monat waren mir mitten im Stadtverkehr große Libellen und große Schmetterlinge aufgefallen, außerdem machen nachts Zikaden einen Riesenlärm als echte Konkurrenz mit dem des Straßenverkehrs, denn unbarmherzig gehupt wird zu allen Tages- und Nachtzeiten. Bei den Vögeln habe ich bisher nur Spatzen in der Stadt gesehen, keine Amseln, keine Meisen, keine Singvögel oder ähnliches. In letzter Zeit ziehen große Schwärme von Zugvögeln in großer Höhe über die Stadt hinweg. Es wird Herbst. Das kann ich auch an der früher einsetzenden Dunkelheit und den vermehrt fallenden Blättern der Platanen erkennen. Ersteres fällt mir aber nicht stark auf, weil die für mich dazugehörige Abkühlung der Tages- und Nachttemperaturen fehlt; gefühlt sind die dunklen Abende wie lauschige Sommerabende in Hamburg, wenn auch zur falschen Uhrzeit. Zweiteres sehe ich nur bei scharfer Beobachtung, weil alle herabgefallenen Blätter sofort weggekehrt werden.
Erst nach 22.00 Uhr hören die Bataillone der Straßenkehrer mit ihrer Arbeit auf. Wenn ich dann, was selten vorkommt, unterwegs bin, fallen mir nicht nur die vielen braunen Blätter auf dem Boden auf, sondern die sofort, wie aus dem Nichts, heraufkommenden Massen an Müll auf der Straße auf. Die Straßenbäume, in der ehemaligen französischen Konzession sind das fast ausschließlich Platanen, auf Chinesisch „französische Bäume“ genannt, haben noch genügend grüne Blätter, um nicht als „kahlwerdend“ erkannt zu werden. Erst Mitte November, wenn die Kälte kommt (in Shanghai gibt es im Winter Temperaturen um den Gefrierpunkt und gelegentlich mal Schnee und trotzdem keine Heizungen in den Häusern) soll man den Herbst so richtig merken. Doch dann werde ich schon wieder weg sein; ich bin richtig froh darum, genau in der schönsten Jahreszeit Shanghais hier eingesetzt zu sein.
Erkenntnis des Tages: So mal richtig kaputt ins Bett zu fallen kann für mich auch mal ganz schön erholend sein.
Montag, 13. Oktober 2008
Kinoerlebnis
Endspurt
Heute hat meine letzte Vorlesungswoche begonnen. Mein Maschinenbaukollege hat das für sich persönlich ganz geschickt geregelt und in den letzten sieben Wochen mehr Stunden pro Woche gelesen als vorgesehen, sodass er seinen Stoff bereits letzte Woche fertig gekriegte und vergangenen Donnerstag seine Klausur hat schreiben lassen. Freitag und am Wochenende hat er die Korrekturen und Bewertungen gemacht. Heute, mit Beginn der Herbstferien in Deutschland, ist er frei und kann sich jetzt um seine eintreffende Freundin kümmern, mit der er ein Tourismusprogramm vorhat. Aus dieser Situation versuche nun auch ich für die Studenten und mich einen Vorteil zu schlagen und habe den Studenten angeboten, einige oder alle jetzt entstandenen Stundenplanlücken zu übernehmen, um Übungsaufgaben für die Klausur am kommenden Freitag zu rechnen, was die Studenten gerne aufgegriffen haben. Ich will auf jeden Fall darauf achten, dass pädagogisch sinnvolle Lerneinheiten daraus werden. Nach der Vorlesung habe ich die Klausur so lange bearbeitet, bis sie jetzt druckfertig ist.
Doku-Movie
Für den Abend waren meine Kollegen und ich auf einen Dokumentarfilm aufmerksam gemacht geworden, der auch im SHANGHAI EXPRESS, dem Rundbrief des deutschen Generalkonsulats, angekündigt war und im UME International Cineplex-Kino im Xin Tian Di-Viertel an der Xing Ye Lu ganz in der Nähe unseres Hotels gezeigt wurde. In dem Kinosaal werden laufend solche Filme aufgeführt, wie ich der Vorfilmwerbung entnehmen konnte. Das Kino lag im 5. Stock des Gebäudes und der Saal war sehr hoch, was eine steile Staffelung der 325 Sitzplätze erlaubte und gute Luftbedingungen bot. Von jedem Platz aus hatte man eine ungestörte Sicht auf die Leinwand. Ich suchte mir hemmungslos und völlig frei einen Platz ganz vorne aus, von wo ich die Kinodramatik des Riesenbildes am besten auf mich wirken lassen konnte. Wenn ich zu Hause mit meiner Frau, die am liebsten ganz hinten sitzt, ins Kino gehe, landen wir beide kompromissbereit nebeneinander immer im langweiligen und überbevölkerten Mittelfeld. Meine kleine Portion gesalzenes Popcorn kostete 20 Yüan (Europapreise), aber ich fühlte mich in dem zu zwei Dritteln gefüllten Saal mit überwiegend chinesischen und erstaunlich vielen deutschen Besuchern sehr wohl. Der Film „Losers and Winners“ wurde in Anwesenheit der Regisseure Michael Loeken und Ulrike Franke mit anschließender Diskussion u. a. durch Documentary Channel von SMG und die Abteilung Kultur und Bildung des Deutschen Generalkonsulats präsentiert.
Hintergrund zum Film
1992 wurde nach 5 Jahren Planungs- und Bauzeit in Dortmund für 650 Millionen Euro die modernste Kokerei der Welt, Kaiserstuhl III, von ThyssenKrupp Stahl (früherer Eigner Hoesch AG) als Ersatz für die nach deutschen Richtlinien (TA Luft) nicht mehr ausreichend unfallsicheren und umweltschutzgerechten Anlagen Kaiserstuhl II und Hansa errichtet. Durch den Druck des nach dem Fall des eisernen Vorhangs aus osteuropäischer Überproduktion billig importierten Stahls wurden Hochofenkapazitäten im Ruhrgebiet abgebaut. Eine solche, das Stahlwerk der 135 Jahre alten Westfalenhütte in Dortmund, hatte der chinesische Altindustrieanlagenaufkäufer Wei („Wolfgang“) Luan erworben und drei Monate später gewinnbringend nach China weiterveräußert. Koks brauchte man plötzlich im Revier nicht mehr und acht Jahre nach dem Anfahren von Kaiserstuhl III hatte man die unrentable Anlage dann stillgelegt und mitsamt den Bauplänen, wieder über Wei Luan, nach China an den chinesischen Bergwerkskonzern Yankuang verkauft, der die Einrichtungen und die Kokerei nach über einjähriger Demontage in Dortmund in Jining in der Nähe von Zaozhuang, Provinz Shandong, wieder errichtet hat. Der erste Koks ist im Juni 2006 erst nach Überwindung sehr großer Probleme gedrückt worden. Mit Hilfe der übernommenen Zeichnungen wurden aus chinesischer Produktion inzwischen zwei weitere baugleiche Anlagen errichtet und in Betrieb genommen. In Essen steht die Kokerei Zollverein als technisches Denkmal zur Besichtigung, wo ich mit meinen drei Damen mal im Winter auf der ab Dezember geöffneten und mit 150 m längsten Kunsteislaufbahn Deutschlands (Breite aber nur 12 m, weil die lange Piste auf dem ehemaligen Druckmaschinengleis der Kokerei angelegt wurde) Schlittschuh gelaufen bin und mich von den Dimensionen einer Kokereianlage mächtig habe beeindrucken lassen. Ansonsten gibt es in Deutschland noch vier aktive Kokereien, 13 wurden in der Vergangenheit abgerissen.
Der Film
Die Filmemacher haben die eineinhalb Jahre dauernde Demontage mit all ihren Konflikten zwischen den wenigen verbliebenen deutschen Arbeitern und deren 400 chinesischen Kollegen beobachtet und gefilmt. Es ging um Zwischenmenschliches und Vorurteile, Sicherheitsstandards und Termindruck, unterschiedliche Lebensentwürfe und Kulturunterschiede, die ich als jetzt China-Betroffener gut nachvollziehen kann. Im Kino ist mir aufgefallen, dass die Projektion digital war, das heißt, es wurde nicht altvertraut ein Film gezeigt, sondern Computerdaten wurden in völlig ausreichender Qualität auf die Großleinwand projiziert. Leider wurde versehentlich eine Kopie gezeigt, die zwar die deutsche Sprache auf Chinesisch untertitelte, aber nicht umgekehrt das Chinesische auf Deutsch. So konnte ich leider nicht herzhaft mitlachen, als die chinesischen Kinobesucher das nach Textbeträgen des chinesischen Abbauleiters und anderer Handelnder taten.
Erkenntnis des Tages: Man kann die Dinge des Lebens sachlich oder emotional angehen und in beiden Fällen von der Wahrheit berichten.
Heute hat meine letzte Vorlesungswoche begonnen. Mein Maschinenbaukollege hat das für sich persönlich ganz geschickt geregelt und in den letzten sieben Wochen mehr Stunden pro Woche gelesen als vorgesehen, sodass er seinen Stoff bereits letzte Woche fertig gekriegte und vergangenen Donnerstag seine Klausur hat schreiben lassen. Freitag und am Wochenende hat er die Korrekturen und Bewertungen gemacht. Heute, mit Beginn der Herbstferien in Deutschland, ist er frei und kann sich jetzt um seine eintreffende Freundin kümmern, mit der er ein Tourismusprogramm vorhat. Aus dieser Situation versuche nun auch ich für die Studenten und mich einen Vorteil zu schlagen und habe den Studenten angeboten, einige oder alle jetzt entstandenen Stundenplanlücken zu übernehmen, um Übungsaufgaben für die Klausur am kommenden Freitag zu rechnen, was die Studenten gerne aufgegriffen haben. Ich will auf jeden Fall darauf achten, dass pädagogisch sinnvolle Lerneinheiten daraus werden. Nach der Vorlesung habe ich die Klausur so lange bearbeitet, bis sie jetzt druckfertig ist.
Für den Abend waren meine Kollegen und ich auf einen Dokumentarfilm aufmerksam gemacht geworden, der auch im SHANGHAI EXPRESS, dem Rundbrief des deutschen Generalkonsulats, angekündigt war und im UME International Cineplex-Kino im Xin Tian Di-Viertel an der Xing Ye Lu ganz in der Nähe unseres Hotels gezeigt wurde. In dem Kinosaal werden laufend solche Filme aufgeführt, wie ich der Vorfilmwerbung entnehmen konnte. Das Kino lag im 5. Stock des Gebäudes und der Saal war sehr hoch, was eine steile Staffelung der 325 Sitzplätze erlaubte und gute Luftbedingungen bot. Von jedem Platz aus hatte man eine ungestörte Sicht auf die Leinwand. Ich suchte mir hemmungslos und völlig frei einen Platz ganz vorne aus, von wo ich die Kinodramatik des Riesenbildes am besten auf mich wirken lassen konnte. Wenn ich zu Hause mit meiner Frau, die am liebsten ganz hinten sitzt, ins Kino gehe, landen wir beide kompromissbereit nebeneinander immer im langweiligen und überbevölkerten Mittelfeld. Meine kleine Portion gesalzenes Popcorn kostete 20 Yüan (Europapreise), aber ich fühlte mich in dem zu zwei Dritteln gefüllten Saal mit überwiegend chinesischen und erstaunlich vielen deutschen Besuchern sehr wohl. Der Film „Losers and Winners“ wurde in Anwesenheit der Regisseure Michael Loeken und Ulrike Franke mit anschließender Diskussion u. a. durch Documentary Channel von SMG und die Abteilung Kultur und Bildung des Deutschen Generalkonsulats präsentiert.
1992 wurde nach 5 Jahren Planungs- und Bauzeit in Dortmund für 650 Millionen Euro die modernste Kokerei der Welt, Kaiserstuhl III, von ThyssenKrupp Stahl (früherer Eigner Hoesch AG) als Ersatz für die nach deutschen Richtlinien (TA Luft) nicht mehr ausreichend unfallsicheren und umweltschutzgerechten Anlagen Kaiserstuhl II und Hansa errichtet. Durch den Druck des nach dem Fall des eisernen Vorhangs aus osteuropäischer Überproduktion billig importierten Stahls wurden Hochofenkapazitäten im Ruhrgebiet abgebaut. Eine solche, das Stahlwerk der 135 Jahre alten Westfalenhütte in Dortmund, hatte der chinesische Altindustrieanlagenaufkäufer Wei („Wolfgang“) Luan erworben und drei Monate später gewinnbringend nach China weiterveräußert. Koks brauchte man plötzlich im Revier nicht mehr und acht Jahre nach dem Anfahren von Kaiserstuhl III hatte man die unrentable Anlage dann stillgelegt und mitsamt den Bauplänen, wieder über Wei Luan, nach China an den chinesischen Bergwerkskonzern Yankuang verkauft, der die Einrichtungen und die Kokerei nach über einjähriger Demontage in Dortmund in Jining in der Nähe von Zaozhuang, Provinz Shandong, wieder errichtet hat. Der erste Koks ist im Juni 2006 erst nach Überwindung sehr großer Probleme gedrückt worden. Mit Hilfe der übernommenen Zeichnungen wurden aus chinesischer Produktion inzwischen zwei weitere baugleiche Anlagen errichtet und in Betrieb genommen. In Essen steht die Kokerei Zollverein als technisches Denkmal zur Besichtigung, wo ich mit meinen drei Damen mal im Winter auf der ab Dezember geöffneten und mit 150 m längsten Kunsteislaufbahn Deutschlands (Breite aber nur 12 m, weil die lange Piste auf dem ehemaligen Druckmaschinengleis der Kokerei angelegt wurde) Schlittschuh gelaufen bin und mich von den Dimensionen einer Kokereianlage mächtig habe beeindrucken lassen. Ansonsten gibt es in Deutschland noch vier aktive Kokereien, 13 wurden in der Vergangenheit abgerissen.
Der Film
Die Filmemacher haben die eineinhalb Jahre dauernde Demontage mit all ihren Konflikten zwischen den wenigen verbliebenen deutschen Arbeitern und deren 400 chinesischen Kollegen beobachtet und gefilmt. Es ging um Zwischenmenschliches und Vorurteile, Sicherheitsstandards und Termindruck, unterschiedliche Lebensentwürfe und Kulturunterschiede, die ich als jetzt China-Betroffener gut nachvollziehen kann. Im Kino ist mir aufgefallen, dass die Projektion digital war, das heißt, es wurde nicht altvertraut ein Film gezeigt, sondern Computerdaten wurden in völlig ausreichender Qualität auf die Großleinwand projiziert. Leider wurde versehentlich eine Kopie gezeigt, die zwar die deutsche Sprache auf Chinesisch untertitelte, aber nicht umgekehrt das Chinesische auf Deutsch. So konnte ich leider nicht herzhaft mitlachen, als die chinesischen Kinobesucher das nach Textbeträgen des chinesischen Abbauleiters und anderer Handelnder taten.
Erkenntnis des Tages: Man kann die Dinge des Lebens sachlich oder emotional angehen und in beiden Fällen von der Wahrheit berichten.
Sonntag, 12. Oktober 2008
Unter Deutschen
Kleiderkammer
Auch heute wieder habe ich es genossen, auszuschlafen und meine Erlebnisse nachzubereiten. Erst am Nachmittag habe ich mein Hotelzimmer verlassen, um die restlichen bestellten Kleidungsstücke bei meinem Schneider in Empfang zu nehmen. Teilweise bin ich richtig begeistert und gespannt, wie sie ankommen werden.

St Francis Xavier
Anschließend war ich am Nachmittag mit meinen neuen Bekannten vom Treffen beim Generalkonsul zum deutschsprachigen katholischen Gottesdienst in der St Francis Xavier Kirche verabredet, die zum 1843 von drei französischen Jesuiten gegründeten Priesterseminar gehört und unmittelbar am Rand der Chinesischen Altstadt liegt. Die Jesuiten hatten sich damals sehr für die Ausbildung der Kinder in Shanghai engagiert. Heute gehört die Kirche zum chinesischen Bistum Shanghai und wird auch Ausländern für die Messe zur Verfügung gestellt. Der deutsche Gottesdienst war sehr gut besucht und zeigte einige ortstypische Besonderheiten. Weil am deutschsprachigen Gottesdienst nur Deutsche oder deren chinesischen Ehegatten interessiert sind, handelt es sich bei den Besuchern hauptsächlich um Expats mit ihren Familien, die meist für drei bis fünf Jahre in der Stadt bleiben und Studenten, die in Shanghai studieren. Es gab, ungewohnt für einen Gottesdienst und doch nachvollziehbar, also gar keine alten Menschen dort. Dafür waren sehr viele Kinder da, denn es war der erste Gottesdienst nach den Oktoberferien und nun beginnt der Erstkommunionsunterricht in vier Gruppen nach Shanghaier Stadtteilen geordnet. Der Gottesdienst war sehr Kind gerecht aufgebaut und es wurde sehr verständlich und eingängig erläutert, wann und warum man steht, sitzt oder kniet und wann welches Kreuzzeichen gemacht wird. Zugehörig ist man dort zur Deutschsprachigen Christliche Gemeinde Shanghai („DCGS“), die sich als Gemeinde für alle deutschsprachigen Christen versteht. Es ist eine ökumenisch geprägte Gemeinde. Die Gottesdienste werden wöchentlich abwechselnd von zwei deutschen professionellen Pfarren der beiden großen Konfessionen gehalten und sind insofern entweder katholisch oder evangelisch geprägt. Im Übrigen sind aber an allen Veranstaltungen und Aktivitäten Christen beider Konfessionen beteiligt. Die Unterschiede in der Konfession spielen keine Rolle. Im rechtlichen Sinne besteht keine Anerkennung der DCGS seitens der zuständigen chinesischen Behörden. Vor dem Jahr 2000 wurde ein Anerkennungsantrag gestellt, der ohne Begründung abgelehnt wurde und mit einer Anerkennung ist derzeit nicht zu rechnen. Bisher sind überhaupt nur sehr wenige ausländische christliche Vereinigungen und Gemeinden in China genehmigt worden sind. Es bestehen jeweils die Auflagen, einen chinesischen Geistlichen einsetzen zu müssen und chinesische Bürger von den Veranstaltungen auszuschließen. Die Gemeinde operiert daher unter dem Dach der chinesischen katholischen Kirche in Shanghai und bietet neben den Gottesdienste, Hausbibelkreise, Singtreffs, Taizé-Gebete und Nachmittage für Kinder von 5-12 Jahren sowie, konfessionsbezogen, Unterricht für Konfirmation, Erstkommunion und Firmung an.
Inzwischenhabe ich auch herausgefunden, dass in der Community Church in der Heng Shan Lu Sonntag nachmittags um 14.00 Uhr und um 16.00 Uhr internationale Gottesdienste auf Englisch stattfinden, die aber nur von Ausländern mit nichtchinesischem Pass besucht und nicht beworben werden dürfen. Jetzt habe ich also mehr Möglichkeiten zum Gottesdienstbesuch als mir noch Sonntage zur Verfügung stehen.
Fortbewegung in Shanghai
Erstaunen rief ich hervor, weil ich mit dem Fahrrad angekommen war. Es schwang auch ein Anklang von Bewunderung und Neid mit in der Stimme, weil ich durch alle engen Gassen und Straßen in den typisch chinesischen Vierteln fahren kann, durch die kein Auto hindurch passt und ungebunden wie ein Chinese am Straßenverkehr teilnehmen kann. Normalerweise ist es so, dass die Expats nicht nur einen Firmenwagen gestellt bekommen, wie ich das in Deutschland früher auch gewohnt war, sondern auf jeden Fall auch einen persönlichen Fahrer; manche Firmen untersagen ihren Expats sogar, selber zu fahren. Die Personalkosten spielen gegenüber Deutschland eine völlig untergeordnete Rolle; aber aus deutscher Sicht ist ein eigener Fahrer natürlich sehr prestigeträchtig. Das erinnert mich an den Anfang der Achtzigerjahre, als ich die bedeutende Wichtigkeit des Vorstandstands meines damaligen Arbeitgeber-Unternehmens nicht am großen Auto, sondern daran abgelesen hatte, dass er darin ein Mobiltelefon besaß. Heute können meine Kinder sich das gar nicht vorstellen und in Shanghai hat jeder Straßenfeger ein Handy und telefoniert damit mehr als ich mit meinem. Um in China Auto fahren zu dürfen, braucht man einen chinesischen Führerschein; den kann man als ausländischer Autofahrer nach Beantragung bekommen, wenn man in einer schriftlichen Prüfung auf Englisch 96 von 100 Fragen richtig beantwortet. Die 100 Fragen sind bekannt; die Reihenfolge wechselt auf den einzelnen Prüfungsbögen. Zur Fahrausbildung für Chinesen gehört auch ein praktischer Teil: Einparken auf einem Übungsgelände und eine Fahrstunde im Straßenverkehr. Eine Statistik besagt, dass in Shanghai 60 % der Autofahrer ihren Führerschein vor weniger als zwei Jahre gemacht haben. Praktisch bedeutet das, dass überwiegend Fahranfänger unterwegs sind, die ihr Fahrzeug wegen mangelnder Fahrpraxis gar nicht richtig beherrschen können.
Wir verabredeten uns auf meinen Wunsch zu einem Besuch bei meinen neuen Bekannten zu Hause. Sie nahmen mich direkt gegenüber von meinem Hotel in ihrem Auto mit, denn dort ist die St. Peters Church, wohin wir beide ohne weitere Erklärungen den Weg wussten. Wir fuhren 25 Minuten bei untergehender Sonne auf den verschiedenen Hochstraßen entlang an der METRO (deutsche Handelskette), an IKEA (schwedisches Möbelhaus), am Südbahnhof, am Riesenrad des Jinjiang-Vergnügungsparks vorbei bis zur Autobahnkreuzung A8/A20 ganz in der Nähe der Endhaltestelle der Metrolinie 1 die ganz nah an meinem Hotel eine Haltestelle hat (Huang Pi Nan Lu) und bogen in den streng bewachten Compound ein, wo besonders andere Ausländer und wohlhabende Chinesen wohnen.
Compound
Dort war als erstes ein Spaziergang durch die Anlage angesagt. Vor dem Haus schlängelt sich ein künstlicher Bach mit fließendem Wasser und ein ebenso in Schlangenlinien angelegter Fußweg. Das ist in China üblich, um ein gutes Ji zu haben, was in meiner Sicht Aberglaube ist, aber nach chinesischem Verständnis etwas mit der Einheit von Mensch und Natur und geistigen Kräften zu tun hat. Außerdem erzeugt ein nicht geradliniger Weg das Gefühl von Weite und Größe und es ist eben „typisch Chinesisch“, wie die Vorgartenhecke oder der Zaun ums Grundstück „typisch Deutsch“ und noch Überreste der Einfriedung nach Rechtsauffassung des Sachsenspiegels sind, innerhalb dessen ursprünglich der Hausfriede und ein Fehdeverbot galt, bis erst auf dem Reichtag von 1495 der Ewige Landfrieden ausgerufen und die Selbstjustiz abgeschafft wurden. Daran denkt doch auch kein Deutscher mehr, wenn er an einem Samstagnachmittag im Sommer die Hecke schneidet; der findet es einfach nur „schön“ und „normal“. Auf dem Gelände, das von einer Betreiberfirma gemanagt und die auch die Ein- und Zweifamilienhäuser möbliert vermietet, gibt es einen Gemeinschaftsswimmingpool, an anderer Stelle ein Hallenbad mit frei zugänglichen Fitnessgeräten, die jede Art von Workout ermöglichen, die aber an dem Sonntagabend alle unbenutzt waren und von mir nie genutzt würden, im Gegensatz zur therapeutical Massage, die auch täglich von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr angeboten wird und die ich mir nach einem Aufenthalt im Schwimmbecken bestimmt ab und an gönnen würde. Kicker, Tischtennis, Billard und ein Kino, wo man seine DVDs und Freunde mitbringen und dann vor der Großleinwand einen Filmeabend erleben kann, stehen den Bewohnern der hermetisch abgeschlossenen Wohnanlage ebenfalls zur Verfügung. Morgens um 7.15 Uhr bietet die Gesellschaft eine Direktbuslinie zur Deutschen Schule an. Dort ist Ganztagsunterricht, die Rückfahrten sind um 15.00 Uhr und um 17.00 Uhr. Zwischen Hin- und Rückfahrt bietet der Bus den Frauen Fahrten in die verschiedenen Einkaufszentren an, an einem Wochentag zu IKEA, an einem anderen zur Metro usw. Unterwegs kamen uns Zweierstreifen in Camouflage-Uniformen mit hellem Handstrahler entgegen, um versehentlich eingedrungenen Fremdpersonen den Weg nach draußen zu zeigen. Dafür trugen sie längliche Hartgummi-Zeigestäbe am Gürtel mit sich, und sahen ganz so aus, als seien sie schnell bereit, sich um solche Leute angemessen zu kümmern. Neben dem Compound stehen sechs oder acht radioteleskopgroße Satelitenantennenschüsseln der Armee, die angeblich ein Geschenk Nixons anlässlich seines Staatsbesuchs im Rahmen der Ping-pong-Diplomatie waren. Je nach Geschmack und örtlicher Vorliebe leben die Expats, vor allem die mit Kindern, für drei bis fünf Jahre in solchen Verhältnissen; Singles weichen manchmal davon ab. So ein Leben im goldenen Käfig kann man genießen. Alle Expats machen sich aber Gedanken, was nach Ende ihres befristeten Auslandsaufenthalts sein wird, wenn sie wieder in die entsendende Firma nach Deutschland zurückkehren und vielleicht keine adäquate Stelle vorfinden. Mancher hat auch Schwierigkeiten nach einer Zeit des Wichtiggenommenwerdens wieder ganz normaler Bundesbürger zu sein, der selber seinen Rasen mähen muss und niemanden hat, der für ihn die täglichen Einkäufe macht, wie es meine Frau für mich tut.
Vergnüglicher Abend
Wir hatten einen kurzweiligen Abend mit lecker Abendessen und angenehmen und interessanten Gesprächen; eine Kooperation zwischen Firma und Hochschule (Praktikantenplätze für deutsche Studierende und Vermittlung von deutschsprechenden chinesischen Absolventen) konnte ich zu beiderseitiger Zufriedenheit auch anstoßen. Dabei merkte ich, dass ich bei meinen Radtouren schon manches gesehen hatte, was die immerhin schon seit Jahresbeginn hier ansässige Neubekanntschaft noch nicht entdeckt hatte. Ich bin eigentlich sehr zufrieden, ganz zentral in der Stadt zu wohnen, kurze Wege zu haben und überall mit dem Rad hinzugelangen, wobei das in dieser Klimazone lange anhaltende warme Wetter seinen wesentlichen Beitrag tut.
Nach Hause
Später als von mir beabsichtigt wurde für mich ein Taxi bestellt, wobei ich eine abenteuerlicher Metrofahrt deutlich bevorzugt hätte, es aber für unangebracht hielt, dieses in diesem Augenblick zu äußern. Mit ein paar Brocken Chinesisch wurde der Taxiwunsch unter Nennung der Hausnummer dem Wachpersonal am Einfahrtstor telefonisch mitgeteilt, der dann auf der Straße ein vorbeifahrendes Taxi herbeiwinkte, telefonisch das Kommen meldete und dann im Fahrzeug mitgefahren ist, bis ich eingestiegen und das Taxi wieder aus dem Tor hinaus gerollt war. Security komplett. Ich war nicht in der Lage, für den Fahrer oder den Wachmann verständlich, mein Fahrziel zu nennen, obwohl ich völlig korrekt Chóng Qìng Lù èr Bǎi Qī Shí Qī gesagt hatte. Erst als ich die Visitenkarte des Hotel vorzeigte, strahle der Ausdruck der Erleuchtung über die chinesischen Gesichter und sie sagten Oh, Chóng Qìng Lù èr Bǎi Qī Shí Qī. Sagte ich bereits! Die Fahrt über schwach befahrene Straßen (es war nach 22.00 Uhr, der inoffiziellen shanghaier Bürgersteigehochklappzeit), dauerte eine halbe Stunde und kostete 45 Yuan.
Erkenntnis des Tages: Man kann die gleiche Stadt aus völlig verschiedenen Perspektiven kennenlernen und bin mit meinem Schicksal sehr zufrieden.
Auch heute wieder habe ich es genossen, auszuschlafen und meine Erlebnisse nachzubereiten. Erst am Nachmittag habe ich mein Hotelzimmer verlassen, um die restlichen bestellten Kleidungsstücke bei meinem Schneider in Empfang zu nehmen. Teilweise bin ich richtig begeistert und gespannt, wie sie ankommen werden.
Anschließend war ich am Nachmittag mit meinen neuen Bekannten vom Treffen beim Generalkonsul zum deutschsprachigen katholischen Gottesdienst in der St Francis Xavier Kirche verabredet, die zum 1843 von drei französischen Jesuiten gegründeten Priesterseminar gehört und unmittelbar am Rand der Chinesischen Altstadt liegt. Die Jesuiten hatten sich damals sehr für die Ausbildung der Kinder in Shanghai engagiert. Heute gehört die Kirche zum chinesischen Bistum Shanghai und wird auch Ausländern für die Messe zur Verfügung gestellt. Der deutsche Gottesdienst war sehr gut besucht und zeigte einige ortstypische Besonderheiten. Weil am deutschsprachigen Gottesdienst nur Deutsche oder deren chinesischen Ehegatten interessiert sind, handelt es sich bei den Besuchern hauptsächlich um Expats mit ihren Familien, die meist für drei bis fünf Jahre in der Stadt bleiben und Studenten, die in Shanghai studieren. Es gab, ungewohnt für einen Gottesdienst und doch nachvollziehbar, also gar keine alten Menschen dort. Dafür waren sehr viele Kinder da, denn es war der erste Gottesdienst nach den Oktoberferien und nun beginnt der Erstkommunionsunterricht in vier Gruppen nach Shanghaier Stadtteilen geordnet. Der Gottesdienst war sehr Kind gerecht aufgebaut und es wurde sehr verständlich und eingängig erläutert, wann und warum man steht, sitzt oder kniet und wann welches Kreuzzeichen gemacht wird. Zugehörig ist man dort zur Deutschsprachigen Christliche Gemeinde Shanghai („DCGS“), die sich als Gemeinde für alle deutschsprachigen Christen versteht. Es ist eine ökumenisch geprägte Gemeinde. Die Gottesdienste werden wöchentlich abwechselnd von zwei deutschen professionellen Pfarren der beiden großen Konfessionen gehalten und sind insofern entweder katholisch oder evangelisch geprägt. Im Übrigen sind aber an allen Veranstaltungen und Aktivitäten Christen beider Konfessionen beteiligt. Die Unterschiede in der Konfession spielen keine Rolle. Im rechtlichen Sinne besteht keine Anerkennung der DCGS seitens der zuständigen chinesischen Behörden. Vor dem Jahr 2000 wurde ein Anerkennungsantrag gestellt, der ohne Begründung abgelehnt wurde und mit einer Anerkennung ist derzeit nicht zu rechnen. Bisher sind überhaupt nur sehr wenige ausländische christliche Vereinigungen und Gemeinden in China genehmigt worden sind. Es bestehen jeweils die Auflagen, einen chinesischen Geistlichen einsetzen zu müssen und chinesische Bürger von den Veranstaltungen auszuschließen. Die Gemeinde operiert daher unter dem Dach der chinesischen katholischen Kirche in Shanghai und bietet neben den Gottesdienste, Hausbibelkreise, Singtreffs, Taizé-Gebete und Nachmittage für Kinder von 5-12 Jahren sowie, konfessionsbezogen, Unterricht für Konfirmation, Erstkommunion und Firmung an.
Inzwischenhabe ich auch herausgefunden, dass in der Community Church in der Heng Shan Lu Sonntag nachmittags um 14.00 Uhr und um 16.00 Uhr internationale Gottesdienste auf Englisch stattfinden, die aber nur von Ausländern mit nichtchinesischem Pass besucht und nicht beworben werden dürfen. Jetzt habe ich also mehr Möglichkeiten zum Gottesdienstbesuch als mir noch Sonntage zur Verfügung stehen.
Erstaunen rief ich hervor, weil ich mit dem Fahrrad angekommen war. Es schwang auch ein Anklang von Bewunderung und Neid mit in der Stimme, weil ich durch alle engen Gassen und Straßen in den typisch chinesischen Vierteln fahren kann, durch die kein Auto hindurch passt und ungebunden wie ein Chinese am Straßenverkehr teilnehmen kann. Normalerweise ist es so, dass die Expats nicht nur einen Firmenwagen gestellt bekommen, wie ich das in Deutschland früher auch gewohnt war, sondern auf jeden Fall auch einen persönlichen Fahrer; manche Firmen untersagen ihren Expats sogar, selber zu fahren. Die Personalkosten spielen gegenüber Deutschland eine völlig untergeordnete Rolle; aber aus deutscher Sicht ist ein eigener Fahrer natürlich sehr prestigeträchtig. Das erinnert mich an den Anfang der Achtzigerjahre, als ich die bedeutende Wichtigkeit des Vorstandstands meines damaligen Arbeitgeber-Unternehmens nicht am großen Auto, sondern daran abgelesen hatte, dass er darin ein Mobiltelefon besaß. Heute können meine Kinder sich das gar nicht vorstellen und in Shanghai hat jeder Straßenfeger ein Handy und telefoniert damit mehr als ich mit meinem. Um in China Auto fahren zu dürfen, braucht man einen chinesischen Führerschein; den kann man als ausländischer Autofahrer nach Beantragung bekommen, wenn man in einer schriftlichen Prüfung auf Englisch 96 von 100 Fragen richtig beantwortet. Die 100 Fragen sind bekannt; die Reihenfolge wechselt auf den einzelnen Prüfungsbögen. Zur Fahrausbildung für Chinesen gehört auch ein praktischer Teil: Einparken auf einem Übungsgelände und eine Fahrstunde im Straßenverkehr. Eine Statistik besagt, dass in Shanghai 60 % der Autofahrer ihren Führerschein vor weniger als zwei Jahre gemacht haben. Praktisch bedeutet das, dass überwiegend Fahranfänger unterwegs sind, die ihr Fahrzeug wegen mangelnder Fahrpraxis gar nicht richtig beherrschen können.
Wir verabredeten uns auf meinen Wunsch zu einem Besuch bei meinen neuen Bekannten zu Hause. Sie nahmen mich direkt gegenüber von meinem Hotel in ihrem Auto mit, denn dort ist die St. Peters Church, wohin wir beide ohne weitere Erklärungen den Weg wussten. Wir fuhren 25 Minuten bei untergehender Sonne auf den verschiedenen Hochstraßen entlang an der METRO (deutsche Handelskette), an IKEA (schwedisches Möbelhaus), am Südbahnhof, am Riesenrad des Jinjiang-Vergnügungsparks vorbei bis zur Autobahnkreuzung A8/A20 ganz in der Nähe der Endhaltestelle der Metrolinie 1 die ganz nah an meinem Hotel eine Haltestelle hat (Huang Pi Nan Lu) und bogen in den streng bewachten Compound ein, wo besonders andere Ausländer und wohlhabende Chinesen wohnen.
Compound
Dort war als erstes ein Spaziergang durch die Anlage angesagt. Vor dem Haus schlängelt sich ein künstlicher Bach mit fließendem Wasser und ein ebenso in Schlangenlinien angelegter Fußweg. Das ist in China üblich, um ein gutes Ji zu haben, was in meiner Sicht Aberglaube ist, aber nach chinesischem Verständnis etwas mit der Einheit von Mensch und Natur und geistigen Kräften zu tun hat. Außerdem erzeugt ein nicht geradliniger Weg das Gefühl von Weite und Größe und es ist eben „typisch Chinesisch“, wie die Vorgartenhecke oder der Zaun ums Grundstück „typisch Deutsch“ und noch Überreste der Einfriedung nach Rechtsauffassung des Sachsenspiegels sind, innerhalb dessen ursprünglich der Hausfriede und ein Fehdeverbot galt, bis erst auf dem Reichtag von 1495 der Ewige Landfrieden ausgerufen und die Selbstjustiz abgeschafft wurden. Daran denkt doch auch kein Deutscher mehr, wenn er an einem Samstagnachmittag im Sommer die Hecke schneidet; der findet es einfach nur „schön“ und „normal“. Auf dem Gelände, das von einer Betreiberfirma gemanagt und die auch die Ein- und Zweifamilienhäuser möbliert vermietet, gibt es einen Gemeinschaftsswimmingpool, an anderer Stelle ein Hallenbad mit frei zugänglichen Fitnessgeräten, die jede Art von Workout ermöglichen, die aber an dem Sonntagabend alle unbenutzt waren und von mir nie genutzt würden, im Gegensatz zur therapeutical Massage, die auch täglich von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr angeboten wird und die ich mir nach einem Aufenthalt im Schwimmbecken bestimmt ab und an gönnen würde. Kicker, Tischtennis, Billard und ein Kino, wo man seine DVDs und Freunde mitbringen und dann vor der Großleinwand einen Filmeabend erleben kann, stehen den Bewohnern der hermetisch abgeschlossenen Wohnanlage ebenfalls zur Verfügung. Morgens um 7.15 Uhr bietet die Gesellschaft eine Direktbuslinie zur Deutschen Schule an. Dort ist Ganztagsunterricht, die Rückfahrten sind um 15.00 Uhr und um 17.00 Uhr. Zwischen Hin- und Rückfahrt bietet der Bus den Frauen Fahrten in die verschiedenen Einkaufszentren an, an einem Wochentag zu IKEA, an einem anderen zur Metro usw. Unterwegs kamen uns Zweierstreifen in Camouflage-Uniformen mit hellem Handstrahler entgegen, um versehentlich eingedrungenen Fremdpersonen den Weg nach draußen zu zeigen. Dafür trugen sie längliche Hartgummi-Zeigestäbe am Gürtel mit sich, und sahen ganz so aus, als seien sie schnell bereit, sich um solche Leute angemessen zu kümmern. Neben dem Compound stehen sechs oder acht radioteleskopgroße Satelitenantennenschüsseln der Armee, die angeblich ein Geschenk Nixons anlässlich seines Staatsbesuchs im Rahmen der Ping-pong-Diplomatie waren. Je nach Geschmack und örtlicher Vorliebe leben die Expats, vor allem die mit Kindern, für drei bis fünf Jahre in solchen Verhältnissen; Singles weichen manchmal davon ab. So ein Leben im goldenen Käfig kann man genießen. Alle Expats machen sich aber Gedanken, was nach Ende ihres befristeten Auslandsaufenthalts sein wird, wenn sie wieder in die entsendende Firma nach Deutschland zurückkehren und vielleicht keine adäquate Stelle vorfinden. Mancher hat auch Schwierigkeiten nach einer Zeit des Wichtiggenommenwerdens wieder ganz normaler Bundesbürger zu sein, der selber seinen Rasen mähen muss und niemanden hat, der für ihn die täglichen Einkäufe macht, wie es meine Frau für mich tut.
Vergnüglicher Abend
Wir hatten einen kurzweiligen Abend mit lecker Abendessen und angenehmen und interessanten Gesprächen; eine Kooperation zwischen Firma und Hochschule (Praktikantenplätze für deutsche Studierende und Vermittlung von deutschsprechenden chinesischen Absolventen) konnte ich zu beiderseitiger Zufriedenheit auch anstoßen. Dabei merkte ich, dass ich bei meinen Radtouren schon manches gesehen hatte, was die immerhin schon seit Jahresbeginn hier ansässige Neubekanntschaft noch nicht entdeckt hatte. Ich bin eigentlich sehr zufrieden, ganz zentral in der Stadt zu wohnen, kurze Wege zu haben und überall mit dem Rad hinzugelangen, wobei das in dieser Klimazone lange anhaltende warme Wetter seinen wesentlichen Beitrag tut.
Nach Hause
Später als von mir beabsichtigt wurde für mich ein Taxi bestellt, wobei ich eine abenteuerlicher Metrofahrt deutlich bevorzugt hätte, es aber für unangebracht hielt, dieses in diesem Augenblick zu äußern. Mit ein paar Brocken Chinesisch wurde der Taxiwunsch unter Nennung der Hausnummer dem Wachpersonal am Einfahrtstor telefonisch mitgeteilt, der dann auf der Straße ein vorbeifahrendes Taxi herbeiwinkte, telefonisch das Kommen meldete und dann im Fahrzeug mitgefahren ist, bis ich eingestiegen und das Taxi wieder aus dem Tor hinaus gerollt war. Security komplett. Ich war nicht in der Lage, für den Fahrer oder den Wachmann verständlich, mein Fahrziel zu nennen, obwohl ich völlig korrekt Chóng Qìng Lù èr Bǎi Qī Shí Qī gesagt hatte. Erst als ich die Visitenkarte des Hotel vorzeigte, strahle der Ausdruck der Erleuchtung über die chinesischen Gesichter und sie sagten Oh, Chóng Qìng Lù èr Bǎi Qī Shí Qī. Sagte ich bereits! Die Fahrt über schwach befahrene Straßen (es war nach 22.00 Uhr, der inoffiziellen shanghaier Bürgersteigehochklappzeit), dauerte eine halbe Stunde und kostete 45 Yuan.
Erkenntnis des Tages: Man kann die gleiche Stadt aus völlig verschiedenen Perspektiven kennenlernen und bin mit meinem Schicksal sehr zufrieden.
Samstag, 11. Oktober 2008
Rückblende
Mein Samstag ist schnell erzählt, denn ich hatte soviel gemacht und erlebt, dass ich einen Tag zum Ausruhen brauchte und mir vorgenommen hatte, mein Internettagebuch auf Vordermann zu bringen. Wenn ich kurioses, rätselhaftes, neues entdecke und erlebe, dann möchte ich gerne die Zusammenhänge nachforschen. Dazu ist mir das Internet eine Hilfe (das ist wie Bücherdurchstöbern, aber schneller, breiter und aktueller – ein echtes Geschenk, das ich nicht mehr missen möchte), und wie zu Hause gerate ich dabei vom Stöckchen aufs Hölzchen. Ich muss zugeben, das ist mir eine echte Freude, die sich allerdings gewaltig in Arbeit verwandelt, wenn ich meine neuen Ent-deckungen (ich habe das Gefühl, das für mich schleierhafte durch wegschieben des Verhüllenden sichtbar zu machen) dann niederschreiben möchte. In China erlebe ich aber etwas neues, unbefriedigendes: ich entdecke etwas neues unbekanntes und weiß, dass dahinter eine tiefere Bedeutung steckt, als vordergründig sichtbar. Aber im deutsch- und englischsprachigen Internet bekomme ich nur oberflächliche Aufklärung. Ich weiß ganz genau, dass mehr dahintersteckt und finde keinen Zugang zur Aufklärung. Etwas weiteres habe ich festgestellt: viele der Chinesen mit akademischer Ausbildung mit denen ich zu tun habe und mit denen ich mich auf Deutsch oder Englisch unterhalten kann, kennen die Zusammenhänge der ihnen vertrauten Traditionen nicht. Sie tun etwas, ohne zu hinterfragen. Und das macht mich ganz unruhig.
Meine einzige Unterbrechung des Lesens, Schreibens und Telefonierens war ein kurzer Fahrradausflug im strahlenden Sonnenwetter die Hefei Lu zwei Querstraßen hinunter, wo ich „meinen“ Laden mit Trockenfrüchten, Nüssen und Kernen habe, die ich mir immer auf Vorrat kaufe, zum Beispiel Pistazien (72 Yüan pro kg), getrocknete Aprikosen (18 Yuan pro kg) oder geröstete Sonnenblumenkerne (15 Yuan pro kg), und mehrere Obsthändler, wo ich mir heute Trauben und Pflaumen für 7 Yuan das kg gekauft habe.
Es war ein guter Tag. Nur einmal am Abend bin ich kurz unruhig geworden, als ich ein Feuerwerk hörte und von meinem Fenster aus sah, dass es über dem Huangpo am Bund abgebrannt wurde. Da wäre ich gerne gewesen und erinnerte mich daran, dass ich mir noch vorgenommen habe, einen Sonnenaufgang am Bund zu erleben. Fertig geworden bin ich mit meinen Texten allerdings nicht – nur besonders lang sind sie geworden.
Erkenntnis des Tages: Um richtig zu entdecken, muss ich die Decke manchmal mit besonderem Kraftaufwand hochreißen – nur dagewesen zu sein reicht einfach nicht aus.
Meine einzige Unterbrechung des Lesens, Schreibens und Telefonierens war ein kurzer Fahrradausflug im strahlenden Sonnenwetter die Hefei Lu zwei Querstraßen hinunter, wo ich „meinen“ Laden mit Trockenfrüchten, Nüssen und Kernen habe, die ich mir immer auf Vorrat kaufe, zum Beispiel Pistazien (72 Yüan pro kg), getrocknete Aprikosen (18 Yuan pro kg) oder geröstete Sonnenblumenkerne (15 Yuan pro kg), und mehrere Obsthändler, wo ich mir heute Trauben und Pflaumen für 7 Yuan das kg gekauft habe.
Erkenntnis des Tages: Um richtig zu entdecken, muss ich die Decke manchmal mit besonderem Kraftaufwand hochreißen – nur dagewesen zu sein reicht einfach nicht aus.
Freitag, 10. Oktober 2008
Volles Programm
Ein Tag wie jeder andere
Wie jeden Freitag hatte ich zuerst meine Vorlesung für heute abgewickelt. Dafür war ich aber auch zur Mittagspause mit meinem Tagewerk durch. Meine Studenten waren heute ziemlich anhänglich und fragten mich nach der Vorlesung zum Stoff des Tages und der vergangenen Tage aus. Das freut mich, auch wenn es immer dieselben, sind; und ich bedauere, dass andere die Gelegenheit nicht nutzen. Dass sie soviel Zeit hatten, lag daran, dass sie chinesische Deutschlehrerin krank war. Deswegen wollten sie mit mir zum Essen gehen, denn Essen ist allen ganz wichtig. Ich hätte gerne verzichtet, wegen des bevorstehenden Abendessens, aber ich wollte die Gelegenheiten nutzen, ins Gespräch zu kommen.
Shanghaier Küche?
Einer meiner deutschen Professoren-Kollegen klinkte sich in unsere Gruppe ein und wir marschierten eine ziemliche Strecke, bis wir das passende, shanghainesische Restaurant fanden. Die chinesische Küche stellt eine Ausdrucksform der chinesischen Kultur dar. Als einheitliche Kochtradition gibt es sie aber eigentlich nicht; es handelt sich vielmehr um einen aus unserer Außensicht geprägten Begriff, wie in China von der europäischen oder gar der westlichen Küche gesprochen wird. Es gab heute also Süß-saueres und für einen Mittagsimbiss unverschämt viel. Es wurde aber ziemlich aufgegessen, und was nicht, ganz selbstverständlich, im Styroporbehälter eingepackt und (von den Studenten) nach Hause ins Wohnheim mitgenommen. Chinas Küchen werden in vier oder in acht große Regionalküchen unterteilt und nur weil Peking und Shanghai auf anderen Gebieten als in der Kochkunst von überragender Bedeutung für China sind, spricht man, höflicherweise, zusätzlich auch von beijinger und shanghaier Küche. Die Su-Küche im Osten ist sauer, die Chuan-Küche im Westen ist scharf, die Yue-Küche im Süden ist süß und die Su-Küche im Norden ist salzig. Kochen hat in China mit der Lebensphilosophie zu tun. Wichtig ist generell neben Farbe, Aroma und Würze die Konsistenz (Schwalbennester- und Haifischflossensuppe werden fast nur wegen ihrer Konsistenz gegessen und weil sie den Organismus kräftigen sollen) sowie der harmonische Gesamteindruck eines Gerichtes. Eine bedeutende, aber auch nicht zu überschätzende, Rolle spielen hierbei die Fünf Elemente (hier muss man sich von der ebenso wenig einleuchtenden klassisch-griechischen Vorstellung von vier Elementen (Wasser-Erde-Luft-Feuer) vollkommen lösen): Holz (sauer), Feuer (bitter), Erde (süß), Metall (scharf), Wasser (salzig). Das ist nur ein einfacher Einblick in dieses Konzept, denn ich habe das längst noch nicht durchblickt, welches auch andere Lebensbereiche durchdringt, und neben der Einteilung in Yin- und Yang-Zubereitungen sowie Nahrungsmittel, die Grundlage für diverse Gesundheitsaspekte der Speisen darstellt. Scharfes soll angeblich die innere Körpertemperatur senken und dadurch zu Abkühlung führen. Auch sehr kalte Speisen sollten nach dieser Vorstellung eher gemieden werden, da sie dem Körper Energie rauben. Deswegen wird alles gekocht, gedünstet, gebraten, frittiert usw. Eine knackig frische Salatplatte findet man hier nicht, weil sie für ungesund gehalten wird. Andererseits identifizieren Chinesen in Deutschland das Essen, dass es im China-Restaurant gibt, nicht als Chinesisch; zu viele Konzessionen an deutsche Gewohnheiten und den deutschen Geschmack fließen dort ein.
Tunnelbaumuseum
Mit meinem Kollegen hatte ich verabredet, das Tunnelbaumuseum zu besuchen, weil ich herausgefunden hatte, dass es ein solches gibt. Es befindet sich an der Ecke Fuxing/Zhonghua Lu ganz in der Nähe von der Einfahrt in den Fuxingtunnel unter dem Huangpu in dem unscheinbaren Verwaltungsgebäude der Tunnelbetriebsgesellschaft. Es ist nur an wenigen Nachmittagen in der Woche geöffnet und nur mit der Leitung durch den Security-Mann fand ich den Eingang. Im Foyer warteten vier junge Damen darauf, etwas zu tun, eine führte uns im Aufzug in den 5. Stock (in China ist die Zählung so, dass das Erdgeschoss erster Stock - first floor - heißt und jede weitere Etage weitergezählt wird, manchmal unter Auslassung der Nummern 4 und 14, weil die Silbe für vier ähnlich klingt wie bald sterben und die für vierzehn ähnlich klingt wie umgebracht werden). Dort waren zunächst Plakate aufgehängt mit langweiligen Fotos von Shanghaier Tunneln, die zeigten, dass die Tradition des Tunnelbaus vielleicht zwanzig Jahre beträgt und damit mehr als hundert Jahre gegenüber dem europäischen Erfahrungshorizont zurückliegt. Ich war etwas enttäuscht darüber, wie sehr oberflächlich und wenig fachbezogen dieses Museum, das bestimmt nur ein speziell interessiertes Publikum ansprechen kann, seine Besucher empfängt. Naja, wenigstens gab es keinen Eintritt zu bezahlen. Dann ging es über einige Gänge weiter in thematische Ausstellungsräume und nun fing die Ausstellung an, mir zu gefallen. Danach durchschritten wir, von unserer Führerin sprachlos geleitet, eine Eisentür, hinter der wir eine Stahltreppe hinabsteigen mussten, um in den Tunnel zu gelangen. Das war natürlich eine Attrappe, aber in Originaldimensionen im vierten Stock!
Hinter dem Tunnel ging es durch eine schmale Tür weiter in die Tunnelbaustelle hinein, direkt in den Raum hinter der Tunnelvortriebsmaschine. Natürlich alles fake, kein Dreck, kein Lärm, kein Staub, keine Hitze, aber doch so, als sei man selber dort gewesen. Beim Bau des neuen Hamburger Autobahnelbtunnels (vierte Röhre) hatte ich mal die Gelegenheit, die echte Baustelle zu besichtigen, als das Schneidrad sich etwa in Flussmitte befand. Diese Attrappe hier in Shanghai hat mir den gleichen Eindruck anschaulich vermittelt! Das ist so gut gemacht, wie die Bergwerke im Deutschen Museum in München, wo ich auch das Gefühl hatte, unter der Erde zu sein. Zwischendrin waren wir auf Höhe der Tunnelleitstelle angelangt und konnten über eine vollflächige Glaswand zuschauen, was dort (nicht) aufregendes passiert. Weiter ging zur Erläuterung der verschiedenen Tunnelbaumethoden.
Es war aufgemacht, wie im Lehrbuch, mit dem Unterschied, dass in Shanghai und Umgebung gleichzeitig alle Methoden an erschreckend vielen Baustellen, je nach Untergrund, Tunneltiefe und topographischer Tunnelführung, im Einsatz sind: Bagger, Bohrhämmer, Drehschlagbohrmaschinen, Schrämmaschinen, Tunnelbohrmaschinen, Schildvortriebsmaschinen und Sprengmittel. Obwohl die Hamburger Tunnelprojekte von beeindruckender Technik und von ebenso beeindruckenden Kosten gekennzeichnet werden, sind T.R.U.D.E. und V.E.R.A. nur Randerscheinungen gemessen an der unterirdischen Baugewalt in Shanghai, was die technische Vielfalt, die Radikalität der Maßnahmendurchführung und die Milliarden an Yuan, die verbuddelt werden, anbelangt. Alle Geräte, Maschinen, Anlagen sind aus chinesischer Produktion. Ganz in der Nähe meines Er Yi-Hotels wird unter der Fuxing Lu gerade eine Haltestelle für eine neue U-Bahn-Linie gebaut. Ich habe mir da mal unerlaubt Zutritt zur Baustelle verschafft und war von der Tiefe und dem Betonvolumen stark beeindruckt. Der Abtransport des Bauaushubs kann nur nachts per LKW erfolgen, aber die Baustellen in Shanghai sind ohnehin 24 Stunden am Tag an 7 Tagen die Woche, auch am Mondfest und am Nationalfeiertag, in Betrieb. Das Tunnelmuseum hat sich also doch richtig gelohnt gehabt. Und Shanghai wird wahrscheinlich den Mangel an Tunnelbauerfahrung aus den letzten 150 Jahren bis zur Expo 2010 durch schiere Masse ausgeglichen haben.
Konfuzius
Auf der Rückfahrt habe ich einen Abstecher zum Konfuzianischen Tempel in Shanghais Altstadt gemacht und die Ruhe im Trubel und das Kontrastprogramm genossen. Es gab dort auch ein „Museum“ mit besonders schönen Stücken aus alter oder neuer Produktion, die anlässlich des Geburtstages von Konfuzius in den letzten Jahren von Anhängern dem dortigen Kloster gestiftet wurden und nun zu horrenden Preisen zur Finanzierung des Klosterlebens verkauft werden. Sicher waren die Preise angemessen, aber sie lagen weit über denen, die ich zu zahlen bereit gewesen wäre. So eine Tempelanlage in der Stadt lädt zur Besinnung und zur Stille ein.
Aber ich musste weiter, denn heute war ein großes Essen wegen der Ankunft der neu angekommenen deutschen Professoren angekündigt. Zu Fuß ging es wie immer um kurz vor 18.00 Uhr los, denn das ist heilige Abendessenszeit. Wir marschierten ziemlich weit die Huaihai Lu, das ist die prächtige Einkaufsstraße Shanghais, entlang, bis wir zu C&A kamen, wo wir einbogen. Nun ist C&A für mich nicht der Inbegriff einer Luxusmarke, aber beim Generalkonsulatsfest hatte ich den Ost-Chinavertriebsverantwortlichen für C&A in Süd-Ost-Asien kennen gelernt, der mir sagt, sie wollten im Billigkleiderland China als westliche Marke wahrgenommen werden. Bei einem späteren Bummel inspizierte ich die Herrenabteilung genauer und war währenddessen der einzige Kunde im Laden (bei der Damenkonfektion ging es etwas lebhafter zu). Alles war aus Baumwolle zu europaähnlichen Preisen. Vom Modegeschmack, der sich in China selbst von einem Banausen wie mir erkennbar vom europäischen unterscheidet, habe ich keine Ahnung und kann die Auswahl deswegen nicht beurteilen.
Fresstempel
Wir waren im Qian Xiang Ge (Ostprovinz Qian-Wohlgeruch-Pagode)-Restaurant im C&A-Gebäude und es war das schönste und am geschmackvollsten eingerichtete, das ich bisher gesehen habe. Die Speisenauswahl war natürlich allerfeinst und es kamen seltener kredenzte Sachen auf die Drehscheibe.
Unter anderem Abalone, die aussieht wie eine Muschel, aber eine Schnecke ist. Sie ist bei und wegen des grünlichen Perlmuttschimmers als Schmucklieferant mehr bekannt als wegen des Wohlgeschmack ihres Fleisches (kein Wunder, sie und wächst in Europa auch nicht). Leider hatte ich die von mir geangelte Belegschale, die ich vor der Abfallabräumenden Kellnerin retten musste, zum Schluss dann doch vergessen mitzunehmen.
1688
Ein Zen-Spieler sorgte für dezente Life-Musik. Das Lokal ist allemal für einen besonderen Shanghai-Abend besuchenswerter als das verwestlichte Restaurant im 86. Stock des Jin Mao-Wolkenkratzers. Einen Preisvergleich kann ich nicht nennen, denn hier war ich eingeladen. Um acht war aber alles vorbei, wie üblich in China. Auf der Straße gab es Verabschiedungsszenen und jeder ging seines Weges (wie männliche chinesische Geschäftsleute ihre männlichen chinesischen Geschäftspartner zwecks Anbahnung eines Vertragsabschlusses bearbeiten, weiß ich nicht. Es heißt, dass wichtiger als die Verhandlungen das gemeinsame Essen sein soll. Und ob dazu noch ein anschließender Digestiv gehört, entzieht sich meiner Kenntnis.
JZ-Club
Mit zwei Kollegen war ich anschließend im JZ-Club (einem in Shanghai und in der Szene darüber hinaus renommierter Jazz-Club) in der Fuxing Xi Lu verabredet, wo wir um 21.00 Uhr eintrafen. An der Tür wurden wir von einem Türsteher kontrolliert – der sich vor lauter Überraschung und Ehrerbietung beinahe überschlug: es war einer meiner Studenten und mir war sofort klar, weswegen er so oft in den Vorlesungen durch Abwesenheit geglänzt hatte und seines Postens als Klassensprecher enthoben wurde. Vielleicht kann er in diesem Beruf mehr verdienen, als als Maschinenbauingenieur. Er stellte mich sofort seinem Onkel vor, der irgendwie etwas mit dem Geschäftsbetrieb des JZ-Clubs zu tun hatte. Der Onkel war selber Ingenieur (gewesen) und versuchte mit mir mit ein paar Brocken Russisch, die wir beide drauf hatten, über Brennstollzellen zu parlieren. Vom JZ-Club hatten wir beim Generalkonsul erfahren, denn er hatte die Bigband des Clubs für den Empfang anlässlich des Tags der Deutschen Einheit engagiert gehabt. An diesem Wochenende war John Jorgenson mit seinem Quintett im Hauptprogramm angekündigt. Der Gitarrist John Jorgenson ist Gründungsmitglied der Desert Rose Band, der Hellecaster und war sechs Jahre lang Mitglied in der Band von Elton John. Außerdem hat er Django Reinhardt im Film Head in the Clouds gespielt. Diesen brillanten Studiogitarristen hatte mein musikalischer Professorenkollege entdeckt und ich war gespannt. Bis 22.00 Uhr mussten wir warten, dann ging das Vor-Programm los.
1693
Es war eine Spitzenband die zuerst Musik mit einem turkmenischen Einschlag spielte und dass edle Gitarrenmusik aus Spanien und das Publikum eine Stunde und 15 Minuten richtig begeisterte. Inzwischen war die Bude voll, fast nur Langnasen, denn Jazz ist nicht traditionell Chinesisch. Es war ein Szenetreff für Expats, die keine Kinder haben. Vor dem Hauptprogramm hatte ich auf dem Weg zur Toilette auf Jorgensons Konzertankündigungsplakat entdeckt, dass er gestern und morgen auftreten würde, heute aber eine Latino-Bigband dran war. Die waren auch sehr gut, sehr laut und stilistisch ganz anders. Etwas ernüchtert verließen wir um Mitternacht den Schuppen, mit dem festen Vorsatz morgen dann wirklich bei Jorgenson vorbei zu schauen. Der JZ-Club ist eine merkenswerte Adresse, wenn man in Shanghai nachts was nettes unternehmen will: 46, West Fuxing Rd (near Yongfu Rd), Shanghai 200031, China.
Angenehmer Homerun
Vor der Tür wimmelte es an Taxis, weil die ganzen Expats normalerweise in den Vororten Shanghais wohnen und lukrative Kunden sind. Ich machte mich auf dem Fahrrad auf den kurzen Heimweg und glaube, dass eine Innenstadtwohnlage mir gemäß ist. Wie schön, dass mein Hotel so zentral liegt. Auf der Rückfahrt fiel mir auf: es wird Herbst. Blätter von den Platanen sammelten sich auf dem Boden, weil inzwischen die Straßenkehrer mit ihrem Tagwerk aufgehört haben. Wenn es die nicht gäbe, wäre Shanghai innerhalb einer Woche total vermüllt, denn jeder schmeißt alles einfach auf die Straße. Aber es war so ein herrlicher Sommerabend nach Hamburger Maßstäben, dass ich das viel mehr genoss als anderes mich störte. Ich kam rundum ganz zufrieden zu Hause (so heißt mein Hotelzimmer inzwischen) an.
Erkenntnis des Tages: An manchen Tagen ballen sich die interessanten Erlebnisse; da muss ich ausnutzen, was sich mir bietet.
Shanghaier Küche?
Einer meiner deutschen Professoren-Kollegen klinkte sich in unsere Gruppe ein und wir marschierten eine ziemliche Strecke, bis wir das passende, shanghainesische Restaurant fanden. Die chinesische Küche stellt eine Ausdrucksform der chinesischen Kultur dar. Als einheitliche Kochtradition gibt es sie aber eigentlich nicht; es handelt sich vielmehr um einen aus unserer Außensicht geprägten Begriff, wie in China von der europäischen oder gar der westlichen Küche gesprochen wird. Es gab heute also Süß-saueres und für einen Mittagsimbiss unverschämt viel. Es wurde aber ziemlich aufgegessen, und was nicht, ganz selbstverständlich, im Styroporbehälter eingepackt und (von den Studenten) nach Hause ins Wohnheim mitgenommen. Chinas Küchen werden in vier oder in acht große Regionalküchen unterteilt und nur weil Peking und Shanghai auf anderen Gebieten als in der Kochkunst von überragender Bedeutung für China sind, spricht man, höflicherweise, zusätzlich auch von beijinger und shanghaier Küche. Die Su-Küche im Osten ist sauer, die Chuan-Küche im Westen ist scharf, die Yue-Küche im Süden ist süß und die Su-Küche im Norden ist salzig. Kochen hat in China mit der Lebensphilosophie zu tun. Wichtig ist generell neben Farbe, Aroma und Würze die Konsistenz (Schwalbennester- und Haifischflossensuppe werden fast nur wegen ihrer Konsistenz gegessen und weil sie den Organismus kräftigen sollen) sowie der harmonische Gesamteindruck eines Gerichtes. Eine bedeutende, aber auch nicht zu überschätzende, Rolle spielen hierbei die Fünf Elemente (hier muss man sich von der ebenso wenig einleuchtenden klassisch-griechischen Vorstellung von vier Elementen (Wasser-Erde-Luft-Feuer) vollkommen lösen): Holz (sauer), Feuer (bitter), Erde (süß), Metall (scharf), Wasser (salzig). Das ist nur ein einfacher Einblick in dieses Konzept, denn ich habe das längst noch nicht durchblickt, welches auch andere Lebensbereiche durchdringt, und neben der Einteilung in Yin- und Yang-Zubereitungen sowie Nahrungsmittel, die Grundlage für diverse Gesundheitsaspekte der Speisen darstellt. Scharfes soll angeblich die innere Körpertemperatur senken und dadurch zu Abkühlung führen. Auch sehr kalte Speisen sollten nach dieser Vorstellung eher gemieden werden, da sie dem Körper Energie rauben. Deswegen wird alles gekocht, gedünstet, gebraten, frittiert usw. Eine knackig frische Salatplatte findet man hier nicht, weil sie für ungesund gehalten wird. Andererseits identifizieren Chinesen in Deutschland das Essen, dass es im China-Restaurant gibt, nicht als Chinesisch; zu viele Konzessionen an deutsche Gewohnheiten und den deutschen Geschmack fließen dort ein.
Tunnelbaumuseum
Mit meinem Kollegen hatte ich verabredet, das Tunnelbaumuseum zu besuchen, weil ich herausgefunden hatte, dass es ein solches gibt. Es befindet sich an der Ecke Fuxing/Zhonghua Lu ganz in der Nähe von der Einfahrt in den Fuxingtunnel unter dem Huangpu in dem unscheinbaren Verwaltungsgebäude der Tunnelbetriebsgesellschaft. Es ist nur an wenigen Nachmittagen in der Woche geöffnet und nur mit der Leitung durch den Security-Mann fand ich den Eingang. Im Foyer warteten vier junge Damen darauf, etwas zu tun, eine führte uns im Aufzug in den 5. Stock (in China ist die Zählung so, dass das Erdgeschoss erster Stock - first floor - heißt und jede weitere Etage weitergezählt wird, manchmal unter Auslassung der Nummern 4 und 14, weil die Silbe für vier ähnlich klingt wie bald sterben und die für vierzehn ähnlich klingt wie umgebracht werden). Dort waren zunächst Plakate aufgehängt mit langweiligen Fotos von Shanghaier Tunneln, die zeigten, dass die Tradition des Tunnelbaus vielleicht zwanzig Jahre beträgt und damit mehr als hundert Jahre gegenüber dem europäischen Erfahrungshorizont zurückliegt. Ich war etwas enttäuscht darüber, wie sehr oberflächlich und wenig fachbezogen dieses Museum, das bestimmt nur ein speziell interessiertes Publikum ansprechen kann, seine Besucher empfängt. Naja, wenigstens gab es keinen Eintritt zu bezahlen. Dann ging es über einige Gänge weiter in thematische Ausstellungsräume und nun fing die Ausstellung an, mir zu gefallen. Danach durchschritten wir, von unserer Führerin sprachlos geleitet, eine Eisentür, hinter der wir eine Stahltreppe hinabsteigen mussten, um in den Tunnel zu gelangen. Das war natürlich eine Attrappe, aber in Originaldimensionen im vierten Stock!
Es war aufgemacht, wie im Lehrbuch, mit dem Unterschied, dass in Shanghai und Umgebung gleichzeitig alle Methoden an erschreckend vielen Baustellen, je nach Untergrund, Tunneltiefe und topographischer Tunnelführung, im Einsatz sind: Bagger, Bohrhämmer, Drehschlagbohrmaschinen, Schrämmaschinen, Tunnelbohrmaschinen, Schildvortriebsmaschinen und Sprengmittel. Obwohl die Hamburger Tunnelprojekte von beeindruckender Technik und von ebenso beeindruckenden Kosten gekennzeichnet werden, sind T.R.U.D.E. und V.E.R.A. nur Randerscheinungen gemessen an der unterirdischen Baugewalt in Shanghai, was die technische Vielfalt, die Radikalität der Maßnahmendurchführung und die Milliarden an Yuan, die verbuddelt werden, anbelangt. Alle Geräte, Maschinen, Anlagen sind aus chinesischer Produktion. Ganz in der Nähe meines Er Yi-Hotels wird unter der Fuxing Lu gerade eine Haltestelle für eine neue U-Bahn-Linie gebaut. Ich habe mir da mal unerlaubt Zutritt zur Baustelle verschafft und war von der Tiefe und dem Betonvolumen stark beeindruckt. Der Abtransport des Bauaushubs kann nur nachts per LKW erfolgen, aber die Baustellen in Shanghai sind ohnehin 24 Stunden am Tag an 7 Tagen die Woche, auch am Mondfest und am Nationalfeiertag, in Betrieb. Das Tunnelmuseum hat sich also doch richtig gelohnt gehabt. Und Shanghai wird wahrscheinlich den Mangel an Tunnelbauerfahrung aus den letzten 150 Jahren bis zur Expo 2010 durch schiere Masse ausgeglichen haben.
Auf der Rückfahrt habe ich einen Abstecher zum Konfuzianischen Tempel in Shanghais Altstadt gemacht und die Ruhe im Trubel und das Kontrastprogramm genossen. Es gab dort auch ein „Museum“ mit besonders schönen Stücken aus alter oder neuer Produktion, die anlässlich des Geburtstages von Konfuzius in den letzten Jahren von Anhängern dem dortigen Kloster gestiftet wurden und nun zu horrenden Preisen zur Finanzierung des Klosterlebens verkauft werden. Sicher waren die Preise angemessen, aber sie lagen weit über denen, die ich zu zahlen bereit gewesen wäre. So eine Tempelanlage in der Stadt lädt zur Besinnung und zur Stille ein.
Aber ich musste weiter, denn heute war ein großes Essen wegen der Ankunft der neu angekommenen deutschen Professoren angekündigt. Zu Fuß ging es wie immer um kurz vor 18.00 Uhr los, denn das ist heilige Abendessenszeit. Wir marschierten ziemlich weit die Huaihai Lu, das ist die prächtige Einkaufsstraße Shanghais, entlang, bis wir zu C&A kamen, wo wir einbogen. Nun ist C&A für mich nicht der Inbegriff einer Luxusmarke, aber beim Generalkonsulatsfest hatte ich den Ost-Chinavertriebsverantwortlichen für C&A in Süd-Ost-Asien kennen gelernt, der mir sagt, sie wollten im Billigkleiderland China als westliche Marke wahrgenommen werden. Bei einem späteren Bummel inspizierte ich die Herrenabteilung genauer und war währenddessen der einzige Kunde im Laden (bei der Damenkonfektion ging es etwas lebhafter zu). Alles war aus Baumwolle zu europaähnlichen Preisen. Vom Modegeschmack, der sich in China selbst von einem Banausen wie mir erkennbar vom europäischen unterscheidet, habe ich keine Ahnung und kann die Auswahl deswegen nicht beurteilen.
Wir waren im Qian Xiang Ge (Ostprovinz Qian-Wohlgeruch-Pagode)-Restaurant im C&A-Gebäude und es war das schönste und am geschmackvollsten eingerichtete, das ich bisher gesehen habe. Die Speisenauswahl war natürlich allerfeinst und es kamen seltener kredenzte Sachen auf die Drehscheibe.
1688
Ein Zen-Spieler sorgte für dezente Life-Musik. Das Lokal ist allemal für einen besonderen Shanghai-Abend besuchenswerter als das verwestlichte Restaurant im 86. Stock des Jin Mao-Wolkenkratzers. Einen Preisvergleich kann ich nicht nennen, denn hier war ich eingeladen. Um acht war aber alles vorbei, wie üblich in China. Auf der Straße gab es Verabschiedungsszenen und jeder ging seines Weges (wie männliche chinesische Geschäftsleute ihre männlichen chinesischen Geschäftspartner zwecks Anbahnung eines Vertragsabschlusses bearbeiten, weiß ich nicht. Es heißt, dass wichtiger als die Verhandlungen das gemeinsame Essen sein soll. Und ob dazu noch ein anschließender Digestiv gehört, entzieht sich meiner Kenntnis.
JZ-Club
Mit zwei Kollegen war ich anschließend im JZ-Club (einem in Shanghai und in der Szene darüber hinaus renommierter Jazz-Club) in der Fuxing Xi Lu verabredet, wo wir um 21.00 Uhr eintrafen. An der Tür wurden wir von einem Türsteher kontrolliert – der sich vor lauter Überraschung und Ehrerbietung beinahe überschlug: es war einer meiner Studenten und mir war sofort klar, weswegen er so oft in den Vorlesungen durch Abwesenheit geglänzt hatte und seines Postens als Klassensprecher enthoben wurde. Vielleicht kann er in diesem Beruf mehr verdienen, als als Maschinenbauingenieur. Er stellte mich sofort seinem Onkel vor, der irgendwie etwas mit dem Geschäftsbetrieb des JZ-Clubs zu tun hatte. Der Onkel war selber Ingenieur (gewesen) und versuchte mit mir mit ein paar Brocken Russisch, die wir beide drauf hatten, über Brennstollzellen zu parlieren. Vom JZ-Club hatten wir beim Generalkonsul erfahren, denn er hatte die Bigband des Clubs für den Empfang anlässlich des Tags der Deutschen Einheit engagiert gehabt. An diesem Wochenende war John Jorgenson mit seinem Quintett im Hauptprogramm angekündigt. Der Gitarrist John Jorgenson ist Gründungsmitglied der Desert Rose Band, der Hellecaster und war sechs Jahre lang Mitglied in der Band von Elton John. Außerdem hat er Django Reinhardt im Film Head in the Clouds gespielt. Diesen brillanten Studiogitarristen hatte mein musikalischer Professorenkollege entdeckt und ich war gespannt. Bis 22.00 Uhr mussten wir warten, dann ging das Vor-Programm los.
1693
Es war eine Spitzenband die zuerst Musik mit einem turkmenischen Einschlag spielte und dass edle Gitarrenmusik aus Spanien und das Publikum eine Stunde und 15 Minuten richtig begeisterte. Inzwischen war die Bude voll, fast nur Langnasen, denn Jazz ist nicht traditionell Chinesisch. Es war ein Szenetreff für Expats, die keine Kinder haben. Vor dem Hauptprogramm hatte ich auf dem Weg zur Toilette auf Jorgensons Konzertankündigungsplakat entdeckt, dass er gestern und morgen auftreten würde, heute aber eine Latino-Bigband dran war. Die waren auch sehr gut, sehr laut und stilistisch ganz anders. Etwas ernüchtert verließen wir um Mitternacht den Schuppen, mit dem festen Vorsatz morgen dann wirklich bei Jorgenson vorbei zu schauen. Der JZ-Club ist eine merkenswerte Adresse, wenn man in Shanghai nachts was nettes unternehmen will: 46, West Fuxing Rd (near Yongfu Rd), Shanghai 200031, China.
Angenehmer Homerun
Vor der Tür wimmelte es an Taxis, weil die ganzen Expats normalerweise in den Vororten Shanghais wohnen und lukrative Kunden sind. Ich machte mich auf dem Fahrrad auf den kurzen Heimweg und glaube, dass eine Innenstadtwohnlage mir gemäß ist. Wie schön, dass mein Hotel so zentral liegt. Auf der Rückfahrt fiel mir auf: es wird Herbst. Blätter von den Platanen sammelten sich auf dem Boden, weil inzwischen die Straßenkehrer mit ihrem Tagwerk aufgehört haben. Wenn es die nicht gäbe, wäre Shanghai innerhalb einer Woche total vermüllt, denn jeder schmeißt alles einfach auf die Straße. Aber es war so ein herrlicher Sommerabend nach Hamburger Maßstäben, dass ich das viel mehr genoss als anderes mich störte. Ich kam rundum ganz zufrieden zu Hause (so heißt mein Hotelzimmer inzwischen) an.
Erkenntnis des Tages: An manchen Tagen ballen sich die interessanten Erlebnisse; da muss ich ausnutzen, was sich mir bietet.
Abonnieren
Posts (Atom)