Der Arbeitsalltag
Heute hatte ich einen fast „stinknormalen“ Vorlesungstag. Das besondere an meinem Seminar war, dass eine der muttersprachlichen Deutschlehrerinnen (DaF – „Deutsch als Fremdsprache“) an meinem Unterricht teilgenommen und mich und die Studenten währenddessen mit der Videokamera aufgenommen hat. Das gefiel mir recht gut, und ich hatte mich darauf auch entsprechend vorbereitet. Es gab auch eine sehr witzige Situation, die alle Studenten zum herzhaften Lachen gebracht hat. Sonst kommt das ziemlich wenig vor, denn wenn sie viele Worte in ihrem elektronischen Wörterbuch nachschlagen müssen, ist die Pointe des Witzfeuerwerks eigentlich längst verraucht, bevor sie den Sinngehalt erfasst haben. Das ist im Prinzip nicht so schlimm, wenn ich nicht befürchten müsste, dass viele auch meiner Vorlesung nur mit beschränktem Auffassungsvermögen folgen können. Ich habe inzwischen erfahren, dass ich von meinen chinesischen Studenten mit einem netten Spitznamen bezeichnet werde: 汉堡哥儿 hànbǎogēr. Das klingt fast wie Hornberger und bedeutet „älterer Bruder aus Hamburg“, wobei hànbǎo (wörtlich: Han ‚Eigenname‘-Burg) sowohl für die Freie und Hansestadt Hamburg steht, als auch für die Hamburger, wobei in diesem Fall die gleichnamigen „Fleischklopse mit Garnierung zwischen Sesam-Weichbrötchenhälften“ gemeint sind.
Zur Vorlesung gehört auch immer eine Nachbereitung, was ich gleich erledigt habe, und eine Vorbereitung der nächsten Stunde. Was für mich aber heute als Überraschung plötzlich auftauchte, war die zwar angekündigte Prüfung meines Maschinenbaukollegen morgen, die jedoch nicht nur seine Vorlesungsstunde, sondern auch meine an seine anschließende beanspruchen sollte. Nicht nur in der Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen gibt es also bisweilen Kommunikationshürden zu überwinden. Das Positive, allerdings: das würde das erste Mal sein, an dem ich an einem normalen Werktag, an dem keine Ferien sind, frei haben würde und das galt es geschickt zu nutzen.
Ab um die Altstadt
Dennoch wollte ich den Nachmittag auch nicht ungenutzt verstreichen lassen. Ich entschloss mich, die Hefei Lu bis zu ihrem Anfang hinab zu fahren und von dort aus die Zhong Hua Lu entlang zu radeln.
Der Versuch einer Erklärung
中華 zhōnghuá heißt Mitte-Prächtig und ist die chinesische Bezeichnung für China – nicht für das Land, das heißt 中国 zhōngguó – nicht für die chinesische Sprache, denn die (in der Einzahl) gibt es ja gar nicht – nicht für die chinesische Ethnie, denn auch davon gibt es viele, wenngleich die Han-Chinesen überwiegen. Zhonghua heißt einfach China ist nicht gleich China. Das deutsche Wort China hingegen leitet sich ab von qín huá (das Land Qin, sprich: Chin). Qin im Westen war der mächtigste der sieben zuvor verfeindeten Staaten, die der Begründer der Qin-Dynastie und des inzwischen über zweitausendjährigen chinesischen Kaiserreiches zum „Reich der Mitte“ (antike Bedeutung: chinesische/zivilisierte Königreiche der Mitte: 秦僻在雍州 qín pì zài yōng zhōu: Qin-erfolgreich-sein-harmonisch-Land) vereinte.
Dieser überragende Herrscher hieß 秦始皇 qín shǐ huáng dì („Erster erhabener Gottkaiser von Qin“, 259 v. Chr. - 210 v. Chr.) Das Wort Qín war ursprünglich die Bezeichnung einer Reissorte und wurde später auch für das Tal verwendet, in dem diese wuchs. In diesem Tal lagen die Wurzeln des Staates Qin. Shǐ steht in der Übersetzung für beginnend oder anfangend. Huángdì bedeutet in etwa soviel wie göttergleich erhaben und ist eine Kombination zweier Wörter: huáng ist Bestandteil der Namen der drei mythologischen Souveräne, die vom Historiker Sima Qian in seinem von 109 v. Chr. bis 91 v. Chr. geschriebenen Werk Shiji erwähnt werden. Huáng bedeutet darüber hinaus zudem Glanz beziehungsweise Erhabenheit. Dì findet sich in der Bezeichnung der so genannten fünf mythologischen Kaiser (Wǔ dì), die angeblich unmittelbar nach den drei mythologischen Souveränen regierten. Qin Shihuangdi ist derjenige, für dessen Nachleben im Tod ein gigantisches, archäologisch noch unangetastetes Mausoleum mit der heute ebenso berühmten wie riesigen Terrakottaarmee im Vorfeld angelegt wurde, welche erst im Jahr 1974 zufällig von Bauern beim Brunnenbohren entdeckt wurde. Der schon erwähnte Historiker Sima Qian beschreibt in seiner Schrift die Grabhalle Qin Shihuangdis folgendermaßen:
„An einer hohen Decke wären tausende von Perlen und Edelsteinen befestigt worden, die den Sternenhimmel symbolisieren sollen. Auf dem Boden befände sich ein Panorama von China, in dem alle Seen und Flüsse aus Quecksilber nachgebildet wurden. Die Flüsse sollen durch einen Automatismus ständig fließen. In der Mitte der Halle befindet sich laut Sima Qian der Sarg des ersten Kaisers von China. Die Gänge zur Grabhalle seien gesäumt von Tonfiguren, welche vor allem Tiere und Vögel darstellen“. Was für ein noch ungesehenes, für Archäologen und die ganze Welt aufregendes Bodendenkmal, mit einer Giftfracht, die den „Fluch der Pharaonen“ sicher noch weit in den Schatten stellen wird.
Video 1526
Der Altstadtring
Die Zhong Hua Lu unterscheidet sich von den hauptsächlich in Nord-Süd- oder Ost-West-Richtung verlaufenden Straßen Shanghais, weil sie ringförmig angelegt ist (im Norden heißt der Ring streckenweise Ren Min Lu) und so verläuft wie die damalige Stadtmauer, die 1911 niedergerissen wurde.
Ich umradelte, mir im heftigen Verkehr die Stadtmauer vorstellend, in netto vielleicht 30 Minuten (so genau weiß ich das nicht, weil ich zum fotografieren der Neubaumaßnahen – traurige Hochhausbauruinen und nette zweistöckige Neubauten – und der besonderen Verkehrsmittel und zum kaufen oft anhielt) die früher sogenannte Chinatown.
Das ist das eigentliche historische Shanghai aus der Zeit bevor die europäischen Imperialisten Mitte des 19. Jahrhunderts kamen und auf den Gebieten ihrer eigenen Konzessionen die neue, heute historische Stadt Shanghai im britischen, französischen, amerikanischen und internationalen Stil errichteten. Die chinesische Altstadt ist noch enger als das übrige historische Schanghai und von extrem schlechter, verfallener Bausubstanz zweistöckiger Holzhäuser.
Die bedeutendste Sehenswürdigkeit ist der Yu Yuan, der "Garten der Zufriedenheit“ mit dem berühmten Hu Xin Ting-Teehaus, das jetzt als exakte Kopie in Hamburg steht (Portion Tee dort 9 Euro; aber ein Teehausbesuch ist auch in Shanghai teuer: 50 Yuan). Die Gartenanlage des Yu Yuan umfasst 28 Gebäude auf einer Fläche von zwei Hektar und wurde 1559 von einem hohen Beamten der Ming-Dynastie gebaut. Der Yu Yuan ist in sechs Bereiche unterteilt, die jeweils eigene Gärten mit unterschiedlichen Themen zeigen, zum Beispiel ein Steingarten mit riesigen Jadefelsen, der Lotusblumenteich und der Zehntausend-Blumen-Turm. Das eigentliche Zentrum des alten Shanghai bildete der Cheng Huan Miao, der volkstümliche taoistische Tempel für den Stadtgott Shanghais, den ich schon mal am Anfang meiner Zeit in China beschrieben habe.
Verschiedenartiges Einkaufen
Umgeben ist dieser Bereich des Yu Yuan vom geschäftigen Basar. In der Fang Bang Zhong Lu, der Old China Street, die das Quartier im nördlichen Drittel von Ost nach West quert, habe ich noch einen bestellten Siegelstein für meinen Sohn zum Touristenpreis gekauft (gestaffelt für chinesische und westliche Touristen: wenn ich nach langen, zähen und von mir äußerst geschickt geführten Verhandlungen den Preis brutal auf unter die Hälfte gedrückt habe und der Händler ob dieses für ihn miserablen Geschäftsabschlusses seinen heraufziehenden Ruin beklagt hat und mir dann beim gehen seine Visitenkarte mit der Bitte um Weiterempfehlung in die Hand drückt, dann überfallen mich gelegentlich leise Zweifel, wie weit ich wirklich von den wahren Gestehungskosten entfernt bin).
Weiter weg von Touristenrummel, wo nur einheimische Chinesen anzutreffen sind, habe ich drei ganz kompakte Bambus-Dämpf-Körbchen und eine Zwanzigerpackung Stäbchen in einem Haushaltswarenladen mit integrierter Bambus-Küferei, die mich sehr an die Werkbank des Großvaters meiner Frau im Schwarzwald erinnerte und mit einer Drahtwarenwerkstatt (ein elend staubiger Laden mit lauter traditionellen chinesischen Haushaltsartikeln – kein Plastik) ohne zu verhandeln für umgerechnet 1,10 Euro erstanden.
Heute hatte ich einen fast „stinknormalen“ Vorlesungstag. Das besondere an meinem Seminar war, dass eine der muttersprachlichen Deutschlehrerinnen (DaF – „Deutsch als Fremdsprache“) an meinem Unterricht teilgenommen und mich und die Studenten währenddessen mit der Videokamera aufgenommen hat. Das gefiel mir recht gut, und ich hatte mich darauf auch entsprechend vorbereitet. Es gab auch eine sehr witzige Situation, die alle Studenten zum herzhaften Lachen gebracht hat. Sonst kommt das ziemlich wenig vor, denn wenn sie viele Worte in ihrem elektronischen Wörterbuch nachschlagen müssen, ist die Pointe des Witzfeuerwerks eigentlich längst verraucht, bevor sie den Sinngehalt erfasst haben. Das ist im Prinzip nicht so schlimm, wenn ich nicht befürchten müsste, dass viele auch meiner Vorlesung nur mit beschränktem Auffassungsvermögen folgen können. Ich habe inzwischen erfahren, dass ich von meinen chinesischen Studenten mit einem netten Spitznamen bezeichnet werde: 汉堡哥儿 hànbǎogēr. Das klingt fast wie Hornberger und bedeutet „älterer Bruder aus Hamburg“, wobei hànbǎo (wörtlich: Han ‚Eigenname‘-Burg) sowohl für die Freie und Hansestadt Hamburg steht, als auch für die Hamburger, wobei in diesem Fall die gleichnamigen „Fleischklopse mit Garnierung zwischen Sesam-Weichbrötchenhälften“ gemeint sind.
Zur Vorlesung gehört auch immer eine Nachbereitung, was ich gleich erledigt habe, und eine Vorbereitung der nächsten Stunde. Was für mich aber heute als Überraschung plötzlich auftauchte, war die zwar angekündigte Prüfung meines Maschinenbaukollegen morgen, die jedoch nicht nur seine Vorlesungsstunde, sondern auch meine an seine anschließende beanspruchen sollte. Nicht nur in der Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen gibt es also bisweilen Kommunikationshürden zu überwinden. Das Positive, allerdings: das würde das erste Mal sein, an dem ich an einem normalen Werktag, an dem keine Ferien sind, frei haben würde und das galt es geschickt zu nutzen.
Ab um die Altstadt
Dennoch wollte ich den Nachmittag auch nicht ungenutzt verstreichen lassen. Ich entschloss mich, die Hefei Lu bis zu ihrem Anfang hinab zu fahren und von dort aus die Zhong Hua Lu entlang zu radeln.
Der Versuch einer Erklärung
中華 zhōnghuá heißt Mitte-Prächtig und ist die chinesische Bezeichnung für China – nicht für das Land, das heißt 中国 zhōngguó – nicht für die chinesische Sprache, denn die (in der Einzahl) gibt es ja gar nicht – nicht für die chinesische Ethnie, denn auch davon gibt es viele, wenngleich die Han-Chinesen überwiegen. Zhonghua heißt einfach China ist nicht gleich China. Das deutsche Wort China hingegen leitet sich ab von qín huá (das Land Qin, sprich: Chin). Qin im Westen war der mächtigste der sieben zuvor verfeindeten Staaten, die der Begründer der Qin-Dynastie und des inzwischen über zweitausendjährigen chinesischen Kaiserreiches zum „Reich der Mitte“ (antike Bedeutung: chinesische/zivilisierte Königreiche der Mitte: 秦僻在雍州 qín pì zài yōng zhōu: Qin-erfolgreich-sein-harmonisch-Land) vereinte.
Dieser überragende Herrscher hieß 秦始皇 qín shǐ huáng dì („Erster erhabener Gottkaiser von Qin“, 259 v. Chr. - 210 v. Chr.) Das Wort Qín war ursprünglich die Bezeichnung einer Reissorte und wurde später auch für das Tal verwendet, in dem diese wuchs. In diesem Tal lagen die Wurzeln des Staates Qin. Shǐ steht in der Übersetzung für beginnend oder anfangend. Huángdì bedeutet in etwa soviel wie göttergleich erhaben und ist eine Kombination zweier Wörter: huáng ist Bestandteil der Namen der drei mythologischen Souveräne, die vom Historiker Sima Qian in seinem von 109 v. Chr. bis 91 v. Chr. geschriebenen Werk Shiji erwähnt werden. Huáng bedeutet darüber hinaus zudem Glanz beziehungsweise Erhabenheit. Dì findet sich in der Bezeichnung der so genannten fünf mythologischen Kaiser (Wǔ dì), die angeblich unmittelbar nach den drei mythologischen Souveränen regierten. Qin Shihuangdi ist derjenige, für dessen Nachleben im Tod ein gigantisches, archäologisch noch unangetastetes Mausoleum mit der heute ebenso berühmten wie riesigen Terrakottaarmee im Vorfeld angelegt wurde, welche erst im Jahr 1974 zufällig von Bauern beim Brunnenbohren entdeckt wurde. Der schon erwähnte Historiker Sima Qian beschreibt in seiner Schrift die Grabhalle Qin Shihuangdis folgendermaßen:
„An einer hohen Decke wären tausende von Perlen und Edelsteinen befestigt worden, die den Sternenhimmel symbolisieren sollen. Auf dem Boden befände sich ein Panorama von China, in dem alle Seen und Flüsse aus Quecksilber nachgebildet wurden. Die Flüsse sollen durch einen Automatismus ständig fließen. In der Mitte der Halle befindet sich laut Sima Qian der Sarg des ersten Kaisers von China. Die Gänge zur Grabhalle seien gesäumt von Tonfiguren, welche vor allem Tiere und Vögel darstellen“. Was für ein noch ungesehenes, für Archäologen und die ganze Welt aufregendes Bodendenkmal, mit einer Giftfracht, die den „Fluch der Pharaonen“ sicher noch weit in den Schatten stellen wird.
Video 1526
Der Altstadtring
Die Zhong Hua Lu unterscheidet sich von den hauptsächlich in Nord-Süd- oder Ost-West-Richtung verlaufenden Straßen Shanghais, weil sie ringförmig angelegt ist (im Norden heißt der Ring streckenweise Ren Min Lu) und so verläuft wie die damalige Stadtmauer, die 1911 niedergerissen wurde.
Umgeben ist dieser Bereich des Yu Yuan vom geschäftigen Basar. In der Fang Bang Zhong Lu, der Old China Street, die das Quartier im nördlichen Drittel von Ost nach West quert, habe ich noch einen bestellten Siegelstein für meinen Sohn zum Touristenpreis gekauft (gestaffelt für chinesische und westliche Touristen: wenn ich nach langen, zähen und von mir äußerst geschickt geführten Verhandlungen den Preis brutal auf unter die Hälfte gedrückt habe und der Händler ob dieses für ihn miserablen Geschäftsabschlusses seinen heraufziehenden Ruin beklagt hat und mir dann beim gehen seine Visitenkarte mit der Bitte um Weiterempfehlung in die Hand drückt, dann überfallen mich gelegentlich leise Zweifel, wie weit ich wirklich von den wahren Gestehungskosten entfernt bin).
Öffentlicher Nahverkehr
Auf dem Altstadtring fährt die Buslinie 11. Auf dieser Linie werden Elektrobusse mit Akkumulator-Speicherbetrieb eingesetzt. Leise und abgasfrei fahren sie von Haltestelle zu Haltestelle, wo zwei Bügel über dem Haltestellenbereich aufgebaut sind, an die der Fahrer (nach meiner subjektiven Beobachtung gibt es genauso viele Busfahrerinnen wie Busfahrer) Stromabnehmer automatisch andockt und bei einem gegenüber sonstigen Bussen etwas verlängerten Haltestellenaufenthalt die Akkus wieder (teil)auflädt.
Besonders gefallen mir die O-Busse, die ich für Innenstädte allgemein und sonderlich für Shanghai als hervorragend geeignete Verkehrsmittel ansehe, weil sie im Ballungsraum keine Luftverschmutzung verursachen. Shanghai versucht dieses Problem auch mit erdgasbetriebenen Bussen mit Verbrennungsmotor zu bekämpfen. Mit Verbrennungsmotor angetriebene Busse haben durchweg Schaltgetriebe; Automatikgetriebe habe ich noch nicht gesehen. Anhand der sichtbaren Mühe mancher Busfahrer beim Kurvenfahren erkenne ich, dass es auch Busse ohne Lenkkraftunterstützung gibt. Fahrtenschreiber sind in Bussen nicht eingebaut. Gehupt wird dauernd und ich habe drei Signale identifiziert, mit denen der Fahrer sich ausdrücken will: 1. Platz da, ich bin schneller und stärker; 2. Abstand halten, weil meine Bremsen nicht mehr so gut funktionieren; 3. Achtung, ich werde gleich abbiegen, aber mein Blinker ist außer Betrieb.
Shanghai hat das weltweit älteste ununterbrochen betriebene Trollybussystem (275 Trollybusse auf 15 Linien), welches bereits am 15. November 1914 eröffnet wurde. In Deutschland gibt es nur noch drei Städte mit O-Busbetrieb: Esslingen, Solingen, Eberswalde.
Auf der Linie 85 habe ich Schub-Gelenkbusse aus chinesischer Produktion gesehen, die den Antrieb auf der letzten Achse mit dem Motor ganz hinten haben und auf Strecken, bei denen die Busse durch enge Straßen fahren müssen, gibt es Busse mit extrem kurzem Achsabstand, damit der Wenderadius möglichst klein ist. Wenn diese Busse auf gerader, unebener Strecke schnell fahren, sieht es aus als würden Karnickel daher gehoppelt kommen – arme Passagiere. Die Linie 911 fährt mit Doppeldeckerbussen.
Besonders stark krempelt Shanghai den öffentlichen Nahverkehr um (oder ergänzt nur das Wachstum), indem U-Bahnlinien gebaut werden. Das wird selten in offener Bauweise, sondern hauptsächlich im Schildvortriebverfahren gemacht, erkennbar an den auf vielen Kreuzungen den Verkehr behindernden Portalkränen zur Ver- und Entsorgung der Tunnelröhren mit Tubings zum Stützen der Tunnelwände und vom Abraum der vom Bohrschild zerkleinerten Ortsbrust. Leider gibt es in Shanghai kein öffentliches Verkehrsnetz, sondern nur eine große Vielzahl von Verkehrslinien. Wenn zwei Metrolinien sich kreuzen, gibt es zwar an jeder Linie eine Haltestelle identischen Namens, aber keine Optimierung der Umsteigewege – da fühle ich mich stets elend lange unterwegs, wenn ich umsteigen muss. Gleiches gilt für den Anschluss der Bushaltestellen an die Metrolinien: ich kann keinen Zusammenhang erkennen; es gibt keine Fußgängerführung zu den Haltestellen. Obwohl ich überall gerne öffentliche Verkehrsmittel fahre, ziehe ich in Shanghai das Fahrrad vor (außer für sehr lange Strecken), weil ich bei der Benutzung von Bus und Bahn das Gefühl habe, doch irgendwie hauptsächlich zu Fuß unterwegs zu sein. Auto bin ich selber in Shanghai noch nicht gefahren, hätte aber mit dem Verkehrsgebaren hier ganz sicher keine Probleme. Allerdings, Parkplätze gibt es keine, weswegen für lange Strecken wiederum nur das Taxi (billig für deutsche Verhältnisse) in Frage kommt. Auf kurzen Strecken kann das Fahrrad, bezogen auf die Durchschnittsgeschwindigkeit, aber wieder nicht übertroffen werden. Und das Wetter ist bisher so, dass es mir richtig Spaß macht, auf den topfebenen (topfeben ist ein vergleichendes Bild in der deutschen Sprache; hier würde das niemand verstehen, weil immer nur im Wok gekocht wird) Straßen unterwegs zu sein.
Erkenntnis des Tages: Sich schneller als zu Fuß von Ort zu Ort bewegen zu können, ist Freiheit.
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