Samstag, 4. Oktober 2008

Klausurkorrekturen

Gar nicht langweilig
Eigentlich ist mein heutiger Tagesablauf ganz schnell erzählt, denn mit Ausklingen der Ferienwoche, auf die ich gut und gerne hätte verzichten können, und bei trübem Wetter habe ich mich entschlossen, jetzt meine Klausuren zu korrigieren und dann statistisch auszuwerten. Ich machte mir also eine schöne Tasse Tee (und im weiteren Verlauf noch mehrere), stellte am Laptop eine angenehme Musik ein und konzentrierte mich voll auf die Klausuren, die ich pünktlich um 18.00 Uhr dann vollständig durchkorrigiert, in meine Excel-Tabelle eingepflegt und zur Präsentation vor den Studenten aufbereitet hatte – ein gutes Gefühl, fertig zu sein! Die Ergebnisse dieser ersten Klausur, die mit 40 % in die Gesamtnote eingehen wird, ist „S-förmig“: Sieben Studierende haben exzellente Ergebnisse abgeliefert, weitere sieben gute, wobei bei diesen vierzehn eine kontinuierlich steigende Punktezahl die einzelnen voneinander unterscheidbar macht. Die große Menge dümpelt im Mittelfeld mit nicht wesentlich unterschiedlichen Punktzahlen und Ergebnissen, die im deutschen Notensystem „befriedigend“ und „ausreichend“ heißen. Und dann gibt es einen Schwanz von neun Studenten, die nicht bestanden hätten, wäre dies die endgültige Klausur gewesen, davon sechs, die hoffnungslos schlecht abschnitten. Nach den Ferien habe ich eine ausgiebige Besprechung meiner Einschätzung mit der Direktorin des Fachbereichs Maschinenbau verabredet.
Einer der Professorenkollegen hatte eine Chinesin zu Besuch, die heute in Shanghai arbeitet und zuvor in Deutschland studiert und anschließend an einem Forschungsprojekt in Deutschland mitgearbeitet hat. Mit ihr zusammen sind wir im Restaurant der Mensa der Medizinischen Hochschule zum Essen gewesen. An diesem Abend fand die Feier eines Hochzeitspaares für den Freundeskreis statt, wo es außer dem Essen auch kleine Showeinlagen, witzige Lieder auf das Brautpaar und allerlei andere Amüsements zu hören gab. Wir waren zwar in ein Separee bugsiert worden; an diesem Abend kam ich mir aber etwas wie ein Fremdkörper vor und fühlte mich nicht ganz entspannt. Nachdem sich die Chinesin verabschiedet hatte, trafen wir Kollegen uns noch zu einer Besprechungsrunde, die den Abend doch noch recht kurzweilig abrundete.

Das normale Leben
Anschließend bin ich trotz guten Vorsatzes aber doch nicht gleich ins Bett gegangen, sondern habe mir auf einer DVD den Film „Eat, Drink, Man, Woman“ angeschaut, den einer der Kollegen wärmstens empfohlen hatte, weil in der Anfangssequenz gezeigt wird, wie ein Chinesischer Meisterkoch der traditionellen chinesischen Küche die vielfältigen Vorbereitungen für ein Mahl trifft. Diese DVD hatte ich mir hier besorgt (Chinesisch mit Deutschen Untertiteln); aber statt nur die Eingangsszene anzuschauen, habe ich den ganzen Film bis zum Schluss und bis spät in die Nacht mit großer Spannung verfolgt. Irgendwie fühlte ich mich, trotz der fremden Kultur, in der er spielt, persönlich ziemlich angesprochen:
Der verwitwete Meisterkoch, Herr Zhu, und seine drei erwachsenen Töchter leben gemeinsam in einem alten, gepflegten Haus in einem ansonsten von Hochhäusern geprägten zentralen Bezirk der Hauptstadt Taipeh auf Taiwan. Gezeigt wird der nicht immer einfache Loslösungsprozess der Töchter vom Elternhaus und dem teilweise autoritären Vater. Liebe und Familie, d. h. die Suche nach dem passenden Partner fürs Leben, sind neben der Kochkunst das zentrale Motiv des Films. Dabei handelt es sich, wie der Titel des Films andeutet, um die essentiellsten Bedürfnisse eines jeden Menschen: Essen, Trinken, Mann und Frau.
Dem Witwer sind Traditionen heilig und so ist das gemeinsame Sonntagsmahl regelrecht zu einem Ritual geworden. Meister Zhu, ohne den das Spitzenrestaurant, bei dem er als Chefkoch arbeitet, dem Untergang nahe ist, stellt aber fest, dass ihm zunehmend der Geschmackssinn verloren geht, trotzdem versucht er sich jedes Mal selbst zu übertreffen. Das allsonntägliche Abendessen bietet vorgeblich zwar die Möglichkeit für die Familienmitglieder, sich auszutauschen, seinen Töchtern fallen die ausgedehnten Mahlzeiten aber zunehmend zur Last, denn sie wollen auf eigenen Füßen stehen und endlich das Nest verlassen. Daher herrscht meist eisige Stille an der Tafel. Bis die Jüngste aus heiterem Himmel einen zukünftigen Ehepartner vorzustellt, worin die Züge der Komik in dem ansonsten eher als (heiteres) Drama zu kategorisierenden Film liegen. Die größte Überraschung bietet am Ende der Vater selbst, der während des Essens erklärt, dass er die ehemalige Schulfreundin seiner ältesten Tochter heiraten will. Die älteste und die jüngste Tochter, die im Laufe des Films einen Mann fürs Leben gefunden haben, und nun auch der Vater, verlassen das Haus. Zurück bleibt die zweitälteste Tochter, die schon immer gerne auch den Beruf der Köchin erlernt hätte, sich aber unter dem Erwartungsdruck des Vaters diesen Lebenstraum nicht wagte zu erfüllen, sondern studierte und als Managerin Karriere macht. Nun, am Ende der Erzählung, serviert sie ihrem Vater eine so gute Suppe, dass dieser wieder schmecken kann.

Erkenntnis des Tages: Manche Lebenssituationen gibt es überall. Bedeutungsvoll ist es erst, wenn man sich darin wiederfindet.

Keine Kommentare: