Montag, 8. September 2008

Haartracht

Heute hatte ich ziemlich viel an Vorlesungsnachbereitung zu tun, weil ich das Stoffgebiet „Gießen“ heute abgeschlossen habe. Außerdem ging es noch um die Planung der nächsten Termine, die mit dem Joint-College abgestimmt werden müssen.

Director’s cut
Ganz allmählich war es nötig geworden, aber ein Schlüsselereignis gestern ließ in mir den Entschluss reifen, heute zum Frisör zu gehen. Gestern war ich unterwegs nämlich an einem Friseur- und Nagelstudio vorbei gekommen, dass entweder gerade neu eröffnet hatte oder eine Werbemaßnahme veranstaltete oder die täglichen, gemeinsamen Tai Chi-Übungen zur körperlichen Ertüchtigung und geistigen Ausrichtung und Motivation aller Mitarbeiter gemeinsam veranstaltete. Zwar bewegten sich die jungen Damen nicht so gemessen zeitlupenlangsam wie es die älteren Herrschaften am Morgen auf den Straßen und in den Parks tun, wo sich die verschiedensten Gruppen zum Stelldichein mit gleichgesinnten treffen. Auch hatte die traditionelle chinesische Musik, die sie spielten schon gewisse Adaptionen in der Harmonienlehre hinter sich: ihr Meditationsmeister, und vermutlich zugleich der Firmenchef, erschien mir als der von der Andacht überzeugteste zu sein: dass es aber nicht typisch shanghaierisch zugegangen sein soll, kann niemand bestritten. Ich habe einen kleinen Videoclip davon gedreht:



Meinen eigenen Friseurbesuch hatte ich heute in die späten Abendstunden verlegt. Ich nahm unvorbereitet in dem unserem Hotel nächstgelegenen Haarstudio Platz, wartete zunächst ziemlich lange, bis ich dran war und verließ es nach einer Stunde um unverhandelte 78 Yuan erleichtert wieder. Zwei Ecken weiter gab es in nicht so ganz schicker Umgebung Frisörläden, wo ich mangels Kundschaft sofort drangekommen wäre und nach vorgeschaltetem Feilschen meine Haare vielleicht für 7,80 Yuan hätte kürzen lassen können. So wurden mir von einem flippig eingefärbten jungen Mädchen erst die Haare mit Kopfhautmassage intensiv einshampooniert, dann gewaschen, anschließend eine viertel Stunde lang meine Ohren gesäubert und massiert und schließlich Nacken und Rücken während der ganzen restlichen Wartezeit durchgeknetet.

Eine elegante Kundin mit Englischkenntnissen klärte mich über die Preisgestaltung auf: Es gäbe Designer‘s cut und Director‘s cut. Je nachdem wer meinem edlen Haupte die neue Anmutung verleihen – sprich: mir die Haare schneiden – würde, nämlich der Designer oder der Director, müsste ich 40 oder 50 Yuan hinblättern. Meine Antwort, ich wolle von demjenigen behandelt werden, der als nächster zur Verfügung stehen würde, wurde als etwas Ähnliches wie Kunstfrevel betrachtet. Alsbald war der Top-Figaro für 78 Yuan zur Stelle und hat meine Haare mit einer Technik geschnitten, die ich noch nie erlebt hatte. Als während des Haarschnitts brillenloser stark kurzsichtiger Maulwurf muss ich die Inaugenscheinnahme durch blühende Phantasie ersetzen, aber es kam mir vor, als hätte er für jedes Haar eine andere Schere zur Verfügung, mit der er mir zärtlichst durch den Schopf pflügte. Als er zum Schluss gekommen war, bestätigte ich ihm, dass ich jetzt „lucky“ sei und wollte mich verabschieden. Aber zunächst war noch eine weitere gründliche Haarwäsche, vom jungen Ding vollzogen, fällig, bevor der Meister mich persönlich trocken-föhn-stylte. Bei mir wurde übrigens als Einzigem im Laden keine schwarze Haarfärbung durchgeführt. Sattschwarze Haare sehen nicht nur gut aus, sondern zeugen auch von Fertilität. Deswegen haben im Joint-College die alteren Frauen, die nach zwei Monaten Aufenthalt in Hamburg graue Stellen im Haar bekommen hatten, in Shanghai plotzlich wieder naturschwarze Haare - so gesund ist das Klima hier! Solch eine komfortable Behandlung lasse ich mir in Hamburg sonst nicht angedeihen; und schon gar nicht für gerade mal sieben Euro. Und erst recht nicht nach 20.00 Uhr, was mir persönlich sehr zusagen würde.

Erkenntnis des Tages: Das nächste mal gehe ich entweder zum Ausprobieren in so einen Billigschuppen oder zu den flippigen Girls vom von der Straßentanzszene

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Große Klasse! So einen Schnick-Schnack-Frisör müsste man hier im alten Harburg einführen - wäre bestimmt der Hit!

Auf diesem Weg herzliche Grüße aus der Heimat. Wie ich sehen, geht's Dir prächtig. Konnte ja nicht ahnen, dass Du einen Wellness-Urlaub machst...:-)

Wolfgang B.

Anonym hat gesagt…

Große Klasse! So einen Schnick-Schnack-Frisör müsste man hier im alten Harburg einführen - wäre bestimmt der Hit!

Auf diesem Weg herzliche Grüße aus der Heimat. Wie ich sehen, geht's Dir prächtig. Konnte ja nicht ahnen, dass Du einen Wellness-Urlaub machst...:-)

Wolfgang B.