Freitag, 26. September 2008

Shanghai Museum

Ein Musentempel für die Relikte der langen chinesischen Kulturgeschichte
Am Morgen hat es etwas geregnet, wegen meines Labortages gestern, bei dem ich die Studenten ganztägig beanspruchte, musste ich meine Vorlesungsstunden heute an einen Kollegen abtreten und hatte deswegen frei. Trotzdem bin ich früh aufgestanden, weil ich mit zwei anderen meiner Kollegen verabredet war; wir fuhren mit der Metro zum Olympia-Fussballstadion, von wo aus ein Busunternehmen Fahrten zu besonders attraktiven Orten anbietet. Unser Ziel war Zhouzhuang, ein großer, erhaltener, historischer Ort: täglich Busabfahrten um 8.30 Uhr, 9.30 Uhr und 10.30 Uhr. Um den letzten Bus ja nicht zu verpassen, trafen wir bereits um 9. 38 Uhr dort ein, um zu erfahren, dass heute leider wegen schlechten Wetters diese Fahrt ausfalle.


Zunächst konsterniert, entschloss ich mich, den Regentag im Schanghai Museum zu verbringen, und meine Kollegen schlossen sich an. Vor dem Museum baten uns drei junge Leute, sie zu fotografieren (was denn sonst?). Sie spannen uns in ein Gespräch ein, was häufig vorkommt, wenn jemand Englisch kann und die Gelegenheit zu Sprachübungen nutzen will. Es ging alles sehr freundlich und höflich zu und es stellte sich heraus, dass sie Touristen waren und aus Qingdao kamen. Von 1897 bis 1914 stand Qingdao (Tsingtau) als Hauptstadt des „Deutschen Schutzgebiets Kiautschou“ unter deutscher Herrschaft – ein Anknüpfungspunkt für das Gespräch. Sie wollten uns überreden, den Museumbesuch sausen zu lassen und mit ihnen den Tag zu verbringen. Ich glaube, das war ernst gemeinte, chinesische Gastfreundschaft.


Trotzdem ging’s ins Museum. Dort kostenloser Eintritt, dennoch Schlange wegen des Security-Checks wie auf dem Flughafen. Ich schaffte in drei Stunden etwa die Hälfte der Abteilungen und werde nochmal dorthin gehen.
Danach schlenderten wir zur Nanjing Lu, die als Mischung aus 5th Avenue und Broadway in New York und Oxfordstreet in London bezeichnet wird (für Harburger: wie die Lüneburger Straße, nur ein bisschen größer). Es ist die beliebteste Einkaufstrasse für Shopping in der Stadt. An der Kreuzung zur Xizang Lu findet man das Kaufhaus No. 1, welches das zweitgrößte Kaufhaus in China ist und welches wir durchstreiften: gleiches Preisniveau, wie in Deutschland, jedenfalls nicht wesentlich billiger. Neben dem Kaufhaus No. 1 wurde ein Ableger, das Dongfang, gebaut, das Waren auf 21 Stockwerken anbietet.


Der Mythen-Check im Selbsttest
Hier trennten sich unsere Wege, denn keiner wollte an meinem „BigMac-Test“ teilnehmen. Es heißt, am Preis für den BigMac könne man die wahre Währungsparität ablesen, jedenfalls soll das einmal so gewesen sein. Bei McDonald’s in China sieht es aus wie bei McDonald’s eben. Trotzdem ist die Bestellung schwierig, weil alles ausschließlich auf Chinesisch beschriftet ist. Auch in Deutschland hängt irgendwo in dem Burger-Restaurant die Preisliste der Einzelartikel, aber ich war hier nur in der Lage, anhand eines Werbefotos ein BigMac-Meal zu bestellen, bestehend aus BigMac, Pommes small und Cola small. Das wurde für 22,50 Yuan angeboten. Ich habe dann noch spezielle, landestypische Add-Ons geordert (in den USA wird mit der Familienfreundlichkeit der Restaurantkette geworben und garantiert, dass jede Niederlassung absolut alkoholfrei ist; trotzdem ist die nationale Spezialität in Deutschland das Bier, das man nur in unserem Vaterlande bei McDonald’s bekommt), das waren warme Maiskörner und ein Pfirisch-Sundae. Pfirsch-Sundae war aber „Mei you“ ausverkauft, weswegen ich auf internationales Strawberryaroma auswich. Kosten des Gesamtmeals 32,25 Yuan. Demnach stimmt die von mir gefühlte, mittlere Kaufkraftrelation von 1:10 nicht ganz, sondern liegt bei 1:5 bis 1:7. Meine persönliche Wohlfühlrelation zwischen McDonald’s-Essen und meiner inzwischen vierwöchigen Gewöhnung an chinesisches Essen, war sehr unangenehm zu Ungunsten von BigMac mehr nach Osten verschoben. Der Fleischklops lag mir irgendwie schwer im Magen. Von dort bis zum Ende alles Verdaulichen mag er jetzt anrichten, was er wolle. Jedenfalls hat sich meine Nahrungsumstellung auf das chinesische Essen in den letzten Wochen deutlich erkennbar bis zu diesem Point of no Return ausgewirkt. Zwei Unterschiede zum Ablauf bei McDonald’s fielen mir auf: Nach der Bestellung und dem Abschuss der Bezahlung, rückt man eine Schlangenposition weiter zur Seite und wird von Warenversorgungspersonal weiter betreut, während der Speisenauswahlberater an der Kasse den nächsten Kunden bedient. Sein Essen auszusuchen und zu bestellen geht in China eben überall immer ziemlich langwierig über die Bühne. Nach dem Essen lässt man sein Tablett mit den gesamten Abfallhinterlassenschaften einfach auf dem Tisch stehen und, schupp-di-wupp, wird es von einem der Abfallbeseitigung-und-Tischabwischbeauftragten entsorgt, die zuvor wie Geier auf die nächste Beute gewartet hatten. In Shnaghai ist Kentucky Fried Chicken wegen der Freude der Chinesen am Hühnerknochennagen viel verbreiteter als die Burger-Ketten. Und dann gibt es noch McKungFu, Bee Cheng Hiang und andere Fastfood-Nachahmer, die chinesische Esskultur der Amerikanischen entgegensetzen.


Ich bin begehrt
Mein Weg führte mich weiter die geschäftige Nanjing Lu, eine Fußgängerzone, entlang, und alle paar Meter klettete sich, ein paar Englischbrocken beherrschend, eine Person an mich an, um zu versuchen, mich in seinen oder ihren „Shop“ abzuschleppen, wo es Original Rolex-, Montblanc-, Gucci- , Louis Vuitton- und andere Imitate geben sollte. Am besten komme ich möglichst kurz belästigt davon, wenn ich gar nicht reagiere, mich weder umwende, noch Augenkontakt gewähre oder gar etwas sage. Ich sammelte Fotomotive und machte Aufnahmen. Etwas weiter östlich in Höhe der Fujian Lu betrachtete ich eine ausgezeichnete, öffentliche und umfangreiche Profi-Fotoausstellung über der Yu Yuan-Garten, die mir sehr gefiel. Ein Kunststudent aus Peking beherrschte die englische Sprache recht flüssig und suchte Kontakt mit mir, bis ich merkte, dass er mich zu seiner Kunst-Verkaufsausstellung abschleppen wollte und in Wirklichkeit eher Kontakt mit meinem Portemonnai als mit mir persönlich haben wollte. Noch ein Stück weiter die Nanjing Lu hinab wurde ich von zwei Mädchen angesprochen, die ich sofort etwas barsch anraunzte: „No watches, no bags!“ Spürbar beleidigt entgegneten sie mir, sie wollten mir doch gar nichts verkaufen, sie seien für Massage zuständig. Nun hatte ich endgültig die Nase voll und bog von der Nanjing ab, und sofort hörten die Anmacherangriffe auf. Zufällig kam ich an einer großen Passage mit lauter Antiquitäten und u.a. auch kostbaren chinesischen Teekannen vorbei, was jetzt mein latentes Interesse daran, schon mal in eine erwägenswerte Erwerbsabsicht gewandelt hat. Nachdem ich noch ein paar schöne Artikel in einem Schreibwarenladen gekauft hatte, trollte ich mich heim, um für den Rest des Abends meine Erlebnisse in Ruhe zu verarbeiten.

Erkenntnis des Tages: Die Lüneburger Straße in Harburg ist als Einkaufsmeile in mancher Beziehung doch nicht so schlecht wie ihr Ruf

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