Samstag, 27. September 2008

Strahlender Sonnenschein

Tolles Wetter!
Heute war vom Morgen bis zum Abend der schönste Tag in all der Zeit, die ich jetzt hier bin: strahlender Sonnenschein, leichte Bewölkung, eine leichte Briese, kein Smog, Temperatur gleichbleibend bei angenehmen 26 °C, Regenwahrscheinlichkeit (und -tatsächlichkeit) 0%.


Feiertagsvorbereitung
Wie kommt das, heute ist doch Samstag? Ganz einfach: Heute hatte ich keinen freien Tag! Das liegt daran, dass nächste Woche „Golden Week“ ist, wegen des Nationalfeiertages am 1. Oktober. Dann ist der ganze Hochschulbetrieb geschlossen und auch sonst wird in öffentlichen Einrichtungen nicht gearbeitet. Einer der früher üblichen staatlichen arbeitsfreien Tage wurde seit diesem Jahr auf das Mondfest verlegt und deswegen wird vorgearbeitet, um doch noch auf sieben freie Tage am Stück zu kommen, die die Chinesen angeblich in vollen Zügen genießen – sofern sie auf landgebundene öffentliche Fernverkehrsmittel angewiesen sind und den Genuss nicht im Stau auf der Fahrt zur Familie im Bus oder Auto vorziehen.


Heute ist also der Montagsstundenplan drangewesen und morgen findet Unterricht nach Dienstagsstundenplan statt. Ich war zwar schon vor dem Mittag mit meinen Aufgaben durch, trotzdem blieb mir keine Zeit, das Wetter und den Tag zu genießen, weil ich einige termingebundene Schriftstücke solange vor mir hergeschoben hatte, dass ich heute und morgen mit dem Schreiben beschäftigt sein werde. Außerdem habe ich die Klausuren der ersten Teilklausur noch nicht korrigiert und muss die zweite Teilklausur auch noch fertigstellen. Aber auch arbeitend war der Tag schön: mit frischem Obst und duftendem, neu eingekauftem Tee saß ich das erste Mal ohne laufende Klimaanlage bei offenem Fenster in meinem Hotelzimmer den ganzen Nachmittag an meinem Laptop und gönnte mir zwischendurch sogar einen kleinen Mittagsschlaf.


Fein Speisen zur Kontaktpflege
Heute Abend war ich zusammen mit meinem Maschinenbauprofessorkollegen von acht unserer Studenten anlässlich des bevorstehenden Nationalfeiertages zum Essen in ein feines Restaurant eingeladen, wo eine vorher lang und breit diskutierte Auswahl an besonderen Delikatessen aufgetischt wurde.
Es gab lecker Hähnchen in der Casserolle geschmort, gekochte getrocknete Bambussprossen, schmackhafte Pilze, die ich nicht kannte, gekochten Ochsenfrosch in sehr scharfer Soße (das Fleisch hat gut geschmeckt, aber die Soße war mir zu scharf), große Garnelen in der einen Soße, kleine Garnelen in anderer Soße, eine besonders wohlschmeckende Entensuppe mit ganzer Ente, Tofu mit Krabbenmehl zubereitet, verschiedene Gemüse, fermentierte Tofuhaut, Rindfleischstreifen mit frischen, geschmorten Bambussprossen, kandierten Mais, gesüßten, roten Klebreis und weiteres, woran ich mich nicht mehr recht erinnere. Nur ein einziger faux pas ist mir unterlaufen: ich habe eine wunderschön zu einem Schmetterling zurecht geschnitzte Karotte genüsslich aufgegessen. Das Entsetzen spürend, dachte ich zuerst, es sei frevelhaft so ein optisches Meisterwerk der Kochkunst zu vernichten, aber nein! Das mache man nicht, wurde ich aufgeklärt, weil die Karotte roh und nicht gekocht sei. Ich verzichtete, mit der leisen Ahnung, es sonst nur noch zu verschlimmern, darauf zu berichten, dass rohe Karotten in Deutschland viel verspeist würden und dass das dort als gesund gelte. Mein Schweigen hat mich bestimmt davor bewahrt, als Barbar zu gelten.


Der Ernst des Lebens
In Deutschland ist es mir noch nie passiert, dass ich von Studenten eingeladen wurde – und ich bin mir nicht sicher, ob ich so eine Einladung überhaupt annehmen würde; zu leicht könnte das in den Verdacht der Bevorzugung bei der Notengebung führen. Auch hier sind das ja nicht alle unsere Studierenden, mit denen wir zusammen waren, sondern einige besonders agile, unter denen einer als der Motor und Treiber herausragt. Diese Studenten sind auch diejenigen, die fachlich und sprachlich als leistungsstark auffallen. Und sie haben es sich zu Marotte gemacht, alle deutschen Professoren, bei denen sie im Laufe ihres Studiums Vorlesungen gehört haben, zum Essen einzuladen. Mein Kollege, der ein ernster Mensch ist, hielt zum Schluss spontan eine mahnende Ansprache über das Lernen im Allgemeinen, die Gerechtigkeit des Professors bei der objektiven Notenvergabe und die Wichtigkeit, sich gründlich auf die kommenden beiden Klausuren von ihm und mir richtig vorzubereiten, denn sie seien ja die einzigen, die in nächster Zeit anstünden. Außerdem bestand er beredt darauf, aus Fürsorge um die schmalen Geldbeutel der Studenten, dass die Rechnung durch die Zahl der Köpfe geteilt würde. Sichtlich betroffen von seiner ganz und gar nicht scherzhaften Rede und zunächst sprachlos, stimmten alle ihm nach einer Weile zu und einer derjenigen, die in diesem Sommer zum Sprachunterricht in Hamburg gewesen waren, meinte, jetzt müsste jeder 6 Euro zahlen. Unter höflichen, gegenseitigen Dankesbezeugungen fand nun ein schneller Aufbruch statt, denn unter den Studenten hatte sich irgendwie die Überzeugung breit gemacht, heute Nacht unbedingt noch etwas für das Studium lernen zu müssen.

Erkenntnis des Tages: Das Leben besteht eben nicht aus Essen allen, auch wenn es ziemlich wichtig ist

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